Mittelschwaebische Nachrichten

Der Asylstreit erreicht den Landtag

Opposition warnt vor Alleingäng­en. Die CSU bekennt sich zum Masterplan, doch manche werden nachdenkli­ch

- VON ULI BACHMEIER

München Keine Lust zu reden? Zunächst sieht es fast so aus. Die meisten CSU-Abgeordnet­en und CSUMiniste­r im Landtag machen an diesem Dienstag einen großen Bogen um die wartenden Journalist­en. Der ungelöste Streit mit der CDU über die Flüchtling­spolitik zehrt an den Nerven der Christsozi­alen in München. Soll im Ernstfall in Berlin wirklich die Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU aufgekündi­gt und der Bruch der Koalition im Bund riskiert werden? Oder gibt es doch noch einen gesichtswa­hrenden Ausweg für CSU-Chef Horst Seehofer, Ministerpr­äsident Markus Söder und ihre aufgewühlt­e Partei?

Wo der tiefere Grund für die neue Schweigsam­keit in der CSU liegt, ist offenkundi­g: Einen Krieg anzuzet- teln ist das eine, ihn bis zum Ende auszufecht­en etwas anderes. Zwar steht, wie aus der Fraktionss­itzung der CSU zu erfahren ist, weiterhin eine überwältig­ende Mehrheit der Abgeordnet­en „in der Sachfrage“, künftig bestimmte Gruppen von Asylbewerb­ern an der deutschen Grenze zurückzuwe­isen, hinter Seehofer und Söder. Die unkalkulie­rbaren Folgen eines Bruchs mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel aber geben vielen Christsozi­alen offenbar zunehmend zu denken. Ein erfahrener Parteistra­tege fasst den Stimmungsw­andel in den vielsagend­en Satz: „Letzte Woche haben wir über den Anfang nachgedach­t, diese Woche denken wir mehr über das mögliche Ende nach.“

Sich völlig einer Debatte zu entziehen allerdings gelingt der CSU im Landtag nicht. Am Nachmittag tagt das Plenum. SPD, Freie Wähler und Grüne haben sich vorgenomme­n, die CSU zu stellen. Ihr Vorwurf: Mit der Forderung nach nationalen Alleingäng­en in der Flüchtling­spolitik lege die CSU die Axt an den Zusammenha­lt in der Europäisch­en Union. Ihre Forderung: ein klares Bekenntnis zu einem geeinten Europa mit offenen Grenzen im Innern.

Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze wirft der CSU „Spalterei“und „panikartig­es Gekreische“vor und sagt: „Die großen Probleme unserer Zeit sind für Kleinstaat­erei zu groß.“Die SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen betont die Bedeutung Europas für den wirtschaft­lichen Wohlstand in Bayern: „Unser Erfolg der letzten Jahrzehnte ist undenkbar ohne die europäisch­e Einigung.“Sie spricht mit Blick auf nationale Egoismen von ei- ner „Achse der Zerstörer und Verantwort­ungslosen in Europa“und nennt Söder einen „der härtesten Populisten in unserem Land“. Und der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Freien Wähler, Michael Piazolo, sagt zu den Angriffen der CSU auf die Kanzlerin: „Das, was da auf- geführt wurde, ist ein Schreckens­beispiel für die Demokratie.“

CSU-Europamini­ster Georg Eisenreich weist die Kritik zurück. Auch die CSU wolle eine europäisch­e Lösung. Bis es aber so weit sei, müsse der Staat seine Handlungsf­ähigkeit zeigen. Dazu gehöre, deutsches und europäisch­es Recht anwenden und Flüchtling­e an der nationalen Grenze zurückweis­en zu können. Auch Frankreich, so Eisenreich, mache das an der Grenze zu Italien. Besonders heftig wird die Debatte, als es dann noch um einen Dringlichk­eitsantrag der CSU geht. Darin wird ein Bekenntnis des Landtags zu Seehofers Masterplan gefordert. Die Opposition will darüber nicht reden, weil man den Masterplan schließlic­h noch gar nicht kenne. Die CSU aber setzt sich auch hier mit ihrer Mehrheit durch.

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Foto: dpa Die SPD Landeschef­in Natascha Kohnen warnt vor nationalem Egoismus.

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