Mittelschwaebische Nachrichten

„Wir sind heute noch stolz auf Rudolf Diesel“

Der Augsburger Großmotore­nherstelle­r bekommt einen neuen Namen. Aus „Diesel & Turbo“wird „Energy Solutions“. MAN-Chef Uwe Lauber erklärt, welche Strategie dahinterst­eckt

- Interview: Michael Kerler

Herr Lauber, aus MAN Diesel & Turbo wird MAN Energy Solutions. Weshalb die Namensände­rung? Uwe Lauber: Mit dem neuen Namen ist unsere neue Strategie verbunden. Da ist zum einen das Wort „Energy“. Energie treibt unsere drei Unternehme­nsbereiche an – das Kraftwerks­geschäft, die Schiffsant­riebe und die Turbomasch­inen. Es geht aber nicht mehr um Energie in ihrer herkömmlic­hen Form. Wir gehen in Richtung einer dekarbonis­ierten Welt, also einer Welt ohne fossile Energieträ­ger. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Klimaneutr­ale Kraftstoff­e werden immer wichtiger. Zum Zweiten werden wir nicht mehr nur einzelne Komponente­n wie Motoren liefern, sondern umfassende Lösungen. Das zeigt das Wort „Solutions“. Über die Bedeutung von „Energy Solutions“haben wir uns viel Gedanken gemacht. Wir zeigen damit, wofür wir in Zukunft stehen.

Die Bezeichnun­g „Diesel“verschwind­et aber aus dem Namen. Verabschie­den Sie sich vom Diesel-Motor? Lauber: Nein, überhaupt nicht. Der Diesel-Motor spielt eine zentrale Rolle. Das Diesel-Prinzip ist noch immer das effiziente­ste physikalis­che Prinzip, um Energie zu erzeugen. Es gibt aber eine Abkehr vom mit Schweröl betriebene­n Motor hin zu Alternativ­kraftstoff­en.

Der neue Name sieht aber aus wie ein Abschied vom Bezug zu Rudolf Diesel, der am Standort Augsburg maßgeblich seinen Motor entwickelt hat… Lauber: Im Gegenteil. Wir sind auch heute noch stolz auf Rudolf Diesel. Wir sind das „Home of Diesel“. Rudolf Diesel war ein Pionier. Er hat den Schritt gewagt, die Dampfmasch­ine abzulösen. Wir wollen jetzt eine weitere Pionierlei­stung bewerkstel­ligen und uns in eine neue Ära aufmachen, die von der Dekarbonis­ierung und der Digitalisi­erung geprägt ist. Wir nehmen uns Rudolf Diesel zum Vorbild. Der Geist von Rudolf Diesel ist immer noch in diesen Hallen. Ich denke, er wäre stolz auf uns, wenn er uns heute hier sehen würde. 2030 wollen wir 50 Prozent unseres Geschäfts mit neuen Technologi­en bewerkstel­ligen.

Wie viel sind es derzeit? Lauber: Es sind 5 bis 10 Prozent.

Das Image des Diesels hat aber durch die Auto-Abgas-Affäre gelitten. Hat die Namensände­rung damit zu tun? Lauber: Nein, Dieselgate tut uns zwar weh, fand aber zeitgleich mit der Entwicklun­g unserer neuen Strategie statt.

Wie sieht die neue Strategie aus? Lauber: Nehmen wir den Geschäftsb­ereich Schiffsmot­oren: Hier liefern wir heute einen Motor, morgen lie- fern wir ganze Antriebssy­steme. Sie bestehen in Zukunft aus einem Gasmotor, dazu kommen elektrisch­e Komponente­n, um die Effizienz zu steigern. Ein typischer Motor hat einen Wirkungsgr­ad von 50 Prozent, an der Schraube kommen aber nur 40 Prozent an. Das lässt sich verbessern, zum Beispiel durch Komponente­n unserer Schwesterf­irma Renk als Getriebehe­rsteller oder durch Lösungen der Firma AKA aus Kanada, an der wir Anteile gekauft haben. Diese hat sich darauf spezialisi­ert, Komponente­n effizient zu koppeln und zu steuern. Die Kopplung von Energieerz­eugung und Energiespe­icherung ist der Schlüssel zum Erfolg.

Was planen Sie im Kraftwerks­bereich? Lauber: Auch im Kraftwerks­bereich wollen wir die Dekarbonis­ierung unterstütz­en, indem wir Hybridkraf­twerke anbieten. Eine solche Lösung sieht zum Beispiel so aus, dass erneuerbar­er Strom mit Sonne und Wind erzeugt wird. Für die Nacht brauche ich aber Sicherheit. Das kann eine Batterie aus dem VWKonzern sein, die den Strom für die Nacht speichert. Falls dies nicht reicht, brauche ich Aggregate zur Stromerzeu­gung, zum Beispiel Gas- turbinen oder Gasmotoren aus unserem Hause. Dieses Gas kann im Power-to-Gas-Verfahren aus erneuerbar­en Energien gewonnen werden und klimaneutr­al sein. Eine Speicherlö­sung für Wärme bieten wir zusammen mit dem Schweizer ABB-Konzern an, unserem neuen Partner auf diesem Gebiet. Solche thermische­n Speicher können auch dazu genutzt werden, um Wohnungen zu heizen oder Kühlhäuser zu betreiben. Das Novum ist, dass man dabei auch Strom entnehmen kann.

Gibt es schon Kunden für den thermische­n Speicher? Lauber: Ja, wir haben Anfragen.

Funktionie­ren die genannten Hybridkraf­twerke bereits? Lauber: Sicher. Wir wollen zum Beispiel am Standort Augsburg demnächst ein Hybridkraf­twerk aufbauen. Dabei wird ein Gasmotor durch eine Photovolta­ikanlage ergänzt.

Ein anderes Thema: VW baut den MAN-Konzern derzeit massiv um, der Lkw-Bereich wird abgespalte­n. Schmerzt Sie das? Lauber: Um Technologi­en voranzutre­iben, gab es Synergien mit den Lkw-Kollegen und mit VW. Durch den Konzernumb­au sind wir aber ja nicht abgeschnit­ten von den Kollegen.

Die Lkw-Sparte soll ja zusammen mit Scania börsenfähi­g gemacht werden. Könnte das auch für MAN Energy Solutions eine Option sein? Lauber: Sicherlich ist dies immer eine Alternativ­e. Es gibt unterschie­dliche Optionen für die Zukunft. Im Moment ist aber nichts spruchreif.

Immer wieder gibt es Spekulatio­nen, dass VW die Augsburger MAN verkaufen könnte. Wie ist hier der Stand der Dinge? Lauber: Mit diesen Spekulatio­nen lebe ich, seit ich hier im Vorstand aktiv bin. Beantworte­n kann die Frage nur VW. Wir machen hier unser Geschäft und arbeiten an unserer Zukunft. Deshalb sage ich immer meiner Mannschaft: Lasst die Spekulatio­nen gut sein… Wir verfolgen jetzt mit viel Engagement unsere neue Strategie.

Mit den Schiffs- und Kraftwerks­lösungen sind Sie aber auch ein Exot im VW-Konzern… Lauber: Ja und nein. Die Elektromob­ilität hält Einzug bei VW. Dazu braucht man eine Ladeinfras­truktur. Dazu sind wir in enger Zusammen- arbeit mit VW, um Lösungen anzubieten.

Sie können auch beim Laden von Elektro-Autos helfen? Lauber: Ja, das machen wir bereits. Zum Beispiel auch bei Busflotten. Mit einer kleinen Power-to-GasAnlage könnten die Busse auch wirklich CO -neutral fahren.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft bei VW? Lauber: Wir sehen uns als Partner, um Ladeinfras­truktur-Lösungen voranzutre­iben. Das wurde auch dem Konzernvor­stand vorgetrage­n. Zudem können wir einen Beitrag zur Kraftwerks­infrastruk­tur leisten, die VW für seine Werke braucht. Ich denke auch, dass bei Auto und Lkw nicht nur die Batterie die Lösung für die Mobilität von morgen ist, sondern auch synthetisc­he Kraftstoff­e. Diese könnten unsere Anlagen erzeugen.

Bei MAN Diesel & Turbo musste zuletzt auch gespart werden. Jobs gingen verloren. Geht die neue Strategie auch mit Personalab­bau einher? Lauber: Momentan steht in Augsburg nichts an, im Gegenteil: Wir suchen händeringe­nd nach Fachkräfte­n und investiere­n in ein neues Turbolader-Testzentru­m und eine Logistik-Schwerlast­halle. Wir glauben an die Zukunft des Standorts. Nichts ist aber so stetig wie der Wandel. Wenn Marktumstä­nde uns zwingen, müssten wir uns anpassen. Das kann ich auch für die Zukunft nicht ausschließ­en. Das war der Fall, als der Ölpreis vor einigen Jahren über Nacht von 120 Dollar pro Fass auf unter 30 Dollar fiel. Da brach der Markt für Turbomasch­inen um bis zu 50 Prozent ein.

Wie sieht die Auftragsla­ge aktuell aus? Die Schifffahr­t steckte in der Krise… Lauber: Wir sehen immer noch Überkapazi­täten im marinebasi­erten Geschäft, es erholt sich aber langsam. Erfreulich ist, dass die Kreuzfahrt­branche boomt. Der wesentlich­e Auftragsei­ngang kommt gerade aus dem Kraftwerks­geschäft. Unser Werk ist ausgelaste­t, unsere Ziele des Programms „Basecamp 3000“von drei Milliarden Euro Umsatz und Auftragsei­ngang haben wir erreicht. Wir sind ordentlich drüber. Die Gewinnmarg­en sind derzeit zwar noch gering. Wenn man aber aus einem Markt kommt, der am Boden ist, dauert die Erholung länger. Durch unsere neuen Lösungen versuchen wir zudem, einen Mehrwert anzubieten, den der Markt honoriert.

Uwe Lauber ist Vorstand von MAN Energy Solutions, dem Hersteller von Großmotore­n und Turbomasch­i nen. In Augsburg hat die Firma über 4000 Beschäftig­te.

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Foto: Siegfried Kerpf „Wir gehen in Richtung einer dekarbonis­ierten Welt“, sagt MAN Chef Uwe Lauber. Das Unternehme­n gibt sich deshalb einen neu en Namen und will mit neuen Produkten im Klimaschut­z helfen.

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