Mittelschwaebische Nachrichten
Familientragödie in Gunzenhausen
Ein 31-Jähriger wird vor einem Mehrfamilienhaus schwer verletzt aufgefunden. Vor dem Sprung vom Balkon soll er seine Frau und seine drei Kinder erstochen haben
Gunzenhausen
Von außen sieht das Mehrfamilienhaus in der Bismarckstraße etwas trostlos aus – der rote Lack an den Balkonen ist leicht abgeblättert und ausgebleicht. Vor dem Haus finden sich ein kleiner grüner Rasen und halbwegs geschnittene Sträucher. Aus fast jedem Fenster huscht mal ein neugieriger Blick nach draußen, nur im dritten Stock bleiben die Rollläden geschlossen – hier spielte sich am frühen Dienstagmorgen eine Familientragödie ab, die auf dem Stück Grün vor dem Haus endete.
Bei den Rettungskräften ging am Morgen gegen sechs Uhr ein Notruf ein. Ein Zeuge meldete, dass er einen Schwerverletzten in dem kleinen Garten vor dem Mehrfamilienhaus und die Leichen einer Frau und dreier Kinder in der Wohnung gefunden habe. Nach ersten Angaben der Polizei handelte es sich bei dem Verletzten um den 31-jährigen Ehemann und Vater der toten Kinder in der Wohnung. Die Polizei geht bisher von einer Familientragödie aus. Der 31-Jährige solle seine Frau und die Kinder, ein dreijähriges Mäd- chen und zwei Buben im Alter von sieben und neun Jahren, erstochen haben und anschließend über den Balkon aus dem dritten Stock gesprungen sein. Dabei soll er sich lebensgefährliche Verletzungen zugezogen haben. Der 31-Jährige befindet sich im Krankenhaus und wurde notoperiert. Vernehmungsfähig werde er wohl erst im Laufe der nächsten Tage sein, sagte ein Polizeisprecher. Doch ob sich die Tat tatsächlich so abspielte, wollte die Polizei noch nicht endgültig bestätigen. Derzeit werde noch in alle Richtungen ermittelt. Der Polizeisprecher schließt auch ein Gewaltverbrechen durch eine weitere Person nicht aus. Zum tatsächlichen Geschehen ist noch wenig bekannt. Am Mittwoch will die Polizei auf einer Pressekonferenz nähere Informationen veröffentlichen.
Bei den Nachbarn und Anwohnern herrscht indes Fassungslosigkeit nach der Tragödie. In einem nahe gelegenen Imbiss erzählt der Besitzer von einer jungen Familie, die immer liebevoll mit ihren Kindern umgegangen sei. Erst vorgestern habe er die Frau noch mit den Kindern auf dem Weg zu einem Spielplatz gesehen – etwa 100 Meter von dem Mehrfamilienhaus entfernt.
Ein anderes Bild der Familie zeichnet ein Anwohner, der beim Rauchen auf den Eingang des Mehrfamilienhauses blickt. Er habe erst vor wenigen Tagen beobachtet, wie Polizisten die Frau und ihre drei Kinder nach draußen brachten. Wenig später habe der Ehemann einen Zettel unterschreiben müssen. Doch was es mit dem Vorfall vor wenigen Tagen auf sich hat, kann er nicht sagen. Den 31-jährigen Mann habe er immer als hektisch wahrgenommen. Dann will er noch eine weitere Beobachtung gemacht haben: Am Montagnachmittag sah er die Frau mit einem anderen Mann und den Kindern aus dem Haus gehen. Die Polizei bestätigt diese Beobachtungen auf Nachfrage unserer Zeitung aber nicht.
Gegen Mittag verlassen die ersten Bewohner das Mehrfamilienhaus. Einer von ihnen bringt seinen Müll nach draußen. Er wohnt im achten Stock und erzählt, dass es immer wieder etwas lauter im Haus werde und seine Nachbarn manchmal streiten. Dem 31-jährigen Mann ist er vor vier Jahren zum ersten Mal begegnet, damals sei die Ehefrau noch schwanger gewesen. „Er wollte seinen Umzug mit dem Aufzug in den dritten Stock bringen“, erinnert sich der Mann. Seine Ehefrau und er wollten damals noch kurz ihren Einkauf in den achten Stock transportieren. „Er hat dann aber darauf bestanden, dass wir die Treppe nehmen sollen.“Später sei die Frau zu ihnen gekommen und meinte, dass man ihren Mann lieber in Ruhe lassen solle.
Zappelig hat man den Mann auch in der Vorschule wahrgenommen, sagt eine Frau, deren Tochter zusammen mit dem siebenjährigen Sohn in der Gruppe war. Er sei immer unruhig gewesen und brachte kein „Guten Morgen“über die Lippen. Zu den Kindern sei er aber immer sehr liebevoll gewesen, hätte sie umarmt und ihnen einen Abschiedskuss gegeben. Die Ehefrau empfand die Mutter als sehr freundlich und angenehm. „Sie hat immer mit allen geredet und war immer nett.“Auch seien die beiden Eheleute oft auf Festen oder im Freibad zu sehen gewesen. „Es war eigentlich eine ganz normale Familie – dachte ich jedenfalls.“