Mittelschwaebische Nachrichten
Herrn Katos neue Einblicke
Ein kluges Buch über Familien und Träume
Was jetzt nur anfangen mit der Zeit? Lange hat Herr Kato seinen Kollegen im Ruhestand beneidet, der bei Besuchen mit seinen Motorradtouren prahlte. Und er selbst? Herr Kato könnte seine Plattensammlung sortieren, das alte Radio reparieren ... Stattdessen geht er auf den Friedhof und tanzt. Und kommt dort mit der schrillen Mie ins Gespräch.
Mie erzählt, wie sie Familie spielt – und das geht so: Sie wird zum Beispiel als verschollene Schwester gebucht, die bei einem Familienfest auftaucht und eine berührende Rede auf den Bruder hält. Oder sie mimt für trauernde Eltern einen Tag lang die verstorbene und schmerzlich vermisste Tochter. Mie lädt Herrn Kato ein, bei ihr einzusteigen. Und der reservierte Herr Kato lässt sich tatsächlich darauf ein. Er wird an einem Tag für einen Buben zum Opa, an einem anderen wird er ein stummer Ersatz-Ehemann, weil die Frau in ihrer wirklichen Ehe nie zu Wort kommt. Endlich kann sie sich die Last von der Seele reden – ohne Widerworte zu erhalten. Diese Einblicke in eingefahrene, oft verhärtete Familienkonstellationen lassen Herrn Kato auch auf sein in eine Sackgasse geratenes Leben blicken. Milena Michiko Flasar, ihre Mutter ist Japanerin, ihr Vater Österreicher, erzählt unaufdringlich und klug berührende Episoden über Familienverhältnisse und Schicksale, über Erinnerungen und Träume. Schließlich rafft Herr Kato sich auf, den einst bewunderten Kollegen zu besuchen. Ein einschneidendes Erlebnis.