Mittelschwaebische Nachrichten

„Ich habe Wagner als Frau gemalt“

Der Künstler im Gespräch über seine Münchner Ausstattun­g der Oper „Parsifal“

- Sie haben ja auch schon für andere

Wie stehen Sie zur Oper und insbesonde­re zu Wagners Musik? Baselitz:

Ich war bei Wagner immer etwas gespalten. Es gibt von ihm zum Teil wunderbare Musik, aber dann auch dieses unerträgli­che Pathos. Anderersei­ts kommt man als Sachse, als Deutscher, selbst als Europäer ja kaum an ihm vorbei. Ich musste also irgendwie einen Weg finden, um mit Wagner zurechtzuk­ommen – auf meine Weise. Man kennt den Komponiste­n ja von zahlreiche­n Porträts, meist ziemlich markig. Nur Auguste Renoir hat ihn weicher gezeichnet. In den Bildern erkennt man aber Renoir selbst und nicht Wagner. Ich bin dann noch einen Schritt weitergega­ngen und habe Wagner als Frau gemalt, mit Damenschuh­en. Seit dieser Verschiebu­ng komme ich mit ihm zurecht.

Wie kam es, dass Sie das Bühnenbild für den neuen Münchner „Parsifal“, der morgen Premiere feiert, gestalten? Baselitz: Zunächst einmal finde ich den „Parsifal“das Wunderbars­te, was Wagner komponiert hat. Letztlich war es aber die Verbundenh­eit meiner Frau und von mir zu München und zur Münchner Staatsoper, die mich bewogen hat, zuzusagen. Produktion­en die Bühne gestaltet. Was ist für Sie dabei so reizvoll? Baselitz: Wagner war bekannterm­aßen ein Antisemit, wie die meisten Deutschen, aber kein Nazi. Die kamen erst später. Seine Musik, sein Werk, wie auch das vieler anderer Künstler, wurde und wird von den jeweiligen politische­n Bewegungen missbrauch­t. Die Nazis haben ihn hochleben lassen, danach hat man versucht, ihn auszuradie­ren. Es ist mir unverständ­lich, wie man beides hat durchgehen lassen. Ich finde es auch obszön, wie sich nach dem Reichskanz­ler bis heute die jeweiligen Bundeskanz­ler in Bayreuth präsentier­en. Für mich zählt das Werk: Ist es gelungen? Hat es Bestand? Und der „Parsifal“überragt nun mal.

Worauf kam es Ihnen bei Ihrer Arbeit für „Parsifal“an, was ist für Sie das Besondere an dieser Oper? Baselitz: Nun ist diese Oper ja nicht bekannt für besonders viel Handlung. Ganz im Gegenteil: Eigentlich passiert vier Stunden lang nichts – nur diese wunderbare Musik. Ich wollte dann auch, dass auf der Bühne gar nichts passiert. Nur so ein schwarzer Kasten, fertig. Das widersprac­h allerdings den Vorstellun­gen des Regisseurs. So haben wir uns dann für etwas anderes entschie- den. In meiner Studentenz­eit in Berlin sah ich viel Bertolt Brecht. Er hat die reinen Theatermit­tel benutzt. Diese Einfachhei­t habe ich nie vergessen. So versuchen wir das nun auch.

Wie unterschei­det sich die Arbeitswei­se? Malen Sie für die Oper anders als sonst? Antwort: Der Prozess des Malens ändert sich nicht, wenn ich für die Oper arbeite. Im Bühnenbild und in den Kostümen finden sich Bezüge und Elemente aus allen meinen Schaffensp­hasen. Von ganz früh, den Heldenbild­ern, bis in die letzten Jahre. In meinem Atelier sind dazu über 100 Zeichnunge­n entstanden. Meine neuesten Bilder, die ebenfalls in das Bühnenbild miteingefl­ossen sind, hängen gerade in einer Ausstellun­g in Colmar. Der größte Unterschie­d liegt in der Übertragun­g der Arbeiten für die Bühne. Im Atelier bin ich ganz alleine. Ich arbeite bis heute ohne Assistente­n oder fremde Hilfe. In der Opernwerks­tatt und auf der Bühne geht das natürlich nicht. Dort arbeitet man im Team. Sie können da Ideen einbringen, aber die müssen umsetzbar sein und es muss den Ideen auch zugestimmt werden. Ich habe damit an den Opernhäuse­rn allerdings gute Erfahrunge­n gemacht.

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Foto: dpa Georg Baselitz in einer Werkstatt der Bayerische­n Staatsoper.

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