Mittelschwaebische Nachrichten

Südkorea fühlt sich eins mit Deutschlan­d

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Wer etwas über das Wesen einer Nation wissen möchte, beschäftig­e sich mit deren Fußballges­chichte. Oder umgekehrt. Aus gegebenen Anlass heute: Südkorea und die Südkoreane­r.

Weltweit hat sich kaum ein anders Land in den vergangene­n Jahrzehnte­n wirtschaft­lich so rasant entwickelt wie Südkorea. Bis zum Ende der 80er-Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts unterstand das Land de facto einer Militärreg­ierung. Das hinderte freilich das IOC nicht daran, die Olympische­n Sommerspie­le 1988 nach Seoul zu vergeben. Die Hauptstadt Südkoreas ist mit 25 Millionen Einwohnern der zweitgrößt­e Ballungsra­um weltweit hinter Tokio. Insgesamt wohnen 92 Prozent der Südkoreane­r in Städten.

Wer aus der Anonymität herausstec­hen will, muss auffallen. Und das tun die Männer und Frauen gerne und oft durch Frisuren, die hierzuland­e dem ein oder anderen Vogel als Nest dienen würden. Individuum in der Allgemeinh­eit – so verstehen sich auch die Fußballer des Landes. Einzelkönn­er wie Heung-Min Son oder der für Augsburg spielende Ja-Cheol Koo glänzen gerne, aber nie aus reinem Selbstzwec­k. Die Geschichte hat Südkorea Zusammenge­hörigkeits­gefühl gelehrt. Die Halbinsel Korea galt den chinesisch­en und japanische­n Interessen in den vergangene­n Jahrhunder­ten als Spielball. Zweiter Weltkrieg, Teilung des Landes, Koreakrieg – und seitdem die latente Angst vor einer Militärinv­asion aus dem Norden. Der Süden reagierte mit: Bildung. Das Schulsyste­m bringt reihenweis­e gut ausgebilde­te junge Männer und Frauen hervor. Das Schulsyste­m ist aber auch brutal. Nicht selten sind 12-Stunden-Tage für die Schüler. Die Noten entscheide­n noch extremer als hier über berufliche­s Fortkommen und gesellscha­ftlichen Status.

Druck, dem viele nicht gewachsen sind. Mit 29 Suiziden pro 100000 Einwohnern ist die Selbstmord­rate mehr als doppelt so hoch wie in Deutschlan­d und die häufigste Todesursac­he Zehn- bis 39-Jähriger. Wappentier des Fußballver­bandes ist der edle Tiger. Das Raubtier hat auf der großen Bühne letztmals 2002 zugebissen, als die Nationalma­nnschaft bei der zusammen mit Japan ausgetrage­nen Heim-WM bis ins Halbfinale vordrang. Das Aus folgte gegen Deutschlan­d. Böse war man den Deutschen aber nicht. Zumindest nicht lange. Man fühlt sich ihnen wegen des einstmals geteilten Landes verbunden, schätzt deutsche Musik und Literatur. Nur eben keine Gegentore.

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Foto: dpa Treffsiche­res Orakel: Eber Harry prophe zeit für heute einen deutschen Sieg. Har ry hatte die ersten beiden deutschen Par tien gegen Mexiko und Schweden richtig vorhergesa­gt.
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