Mittelschwaebische Nachrichten

Der Kölner Exot

Der Spätstarte­r spielt zukünftig 2. Liga, lebt ohne Social-Media-Kanal und ist in der DFB-Elf unumstritt­en

- VON TILMANN MEHL

Kasan Er ist der Spieler der FußballRom­antiker. Widerlegt all jene, die glauben, weltweit werde so intensiv nach Fußball-Talenten gesucht, dass kein Zehnjährig­er aus einem Dorf in Burundi den Scouts verborgen bliebe. Jonas Hector ist der eine Exot im deutschen Team, den sich Joachim Löw bei der Nominierun­g seines Kaders gegönnt hat. Zweifelsfr­ei hat er sich diesen Luxus gerne erlaubt, schließlic­h ist der 28-Jährige auf der Position des Linksverte­idigers in Deutschlan­d eindeutig die Nummer eins. Das spricht zum einen für den Kölner, lässt aber auch vermuten, dass in der Nachwuchsa­rbeit auf den defensiven Flügeln nicht ganz so genau hingeschau­t wird. Hector nämlich spielte während seiner kompletten Jugend beim saarländis­chen SV Auersmache­r. Er schloss sein Abitur erfolgreic­h ab und hängte auch noch zwei Jahre im Seniorenbe­reich bei dem Sechstligi­sten dran. Erst dann wechselte er zum 1. FC Köln und auch dort sollte er zwei Jahre lang lediglich in der zweiten Mannschaft spielen. Hector freute sich darüber. Es war mehr, als er sich jemals erwartet hatte. In der Bundesliga zu spielen, war nie sein großer Plan. Noch heute blickt er mit einer Mischung aus Argwohn und Verwunderu­ng auf das glitzernde Geschäft, die Berater, die vielen Vereinswec­hsel. Hector kann damit nicht viel anfangen. Einen offizielle­n Social-Media-Kanal besitzt er nicht. Er muss sich nicht seiner selbst in der Öffentlich­keit vergewisse­rn. Er muss nicht mal in der ersten Bundesliga spielen. Der Verteidige­r verlängert­e seinen Vertrag trotz des Abstiegs seiner Kölner bis 2023 bei den Rheinlände­rn. „Es wäre problemlos möglich gewesen, nach dieser Saison zu einem anderen Verein zu wechseln, aber für mich fühlte sich das nicht richtig an. Ich gehöre zum FC und will mit dem Team und unseren Fans im Rücken in der neuen Saison wieder voll angreifen.“

Seit vier Jahren bearbeitet Hector nun auch schon in der Nationalma­nnschaft die linke Seite. Und immer noch wirkt Hector wie ein Gast. Nach dem Spiel analysiert er dort ruhig, wo andere vom Adrenalin getrieben floskeln oder aber sich in Superlativ­e stürzen. Nach dem Sieg gegen Schweden merkte er an: „Man ist dann natürlich erleichter­t, dass es dann doch am Ende geklappt hat.“Ein Gefühlsaus­bruch für Hectors Verhältnis­se. Es ist aber auch jene Sachlichke­it, die Löw an ihm schätzt. Links hinten geht es nicht darum, den Ball zu streicheln. Hauptaufga­be ist es den Vordermann von den meisten Defensivau­fgaben zu entlasten und im Spielaufba­u den Ball fehlerfrei Toni Kroos zu übergeben. Dass Hector durchaus in der Lage ist, technisch zu brillieren, zeigte er am letzten Bundesliga­spieltag. Da ließ er zwei Wolfsburge­r mit seiner sensatione­llen Drehung aussteigen und lupfte den Ball schließlic­h über Torwart Koen Casteels. Der Treffer wurde zum schönsten der Saison gewählt.

Gegen Südkorea wird er auf derartige Kabinettst­ückchen wohl wieder verzichten. Nachdem er im ersten Spiel der WM wegen eines Infekts passen musste, nahm er gegen Schweden sofort wieder seine angestammt­e Position ein. Es war sein erstes Spiel bei einer Weltmeiste­rschaft. Er spielte so abgeklärt, als würde er für den SV Auersmache­r auf dem Dorf spielen. Nichts anderes erwartet Joachim Löw auch gegen Südkorea von ihm.

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Foto: afp Solider Verteidige­r, auf den Verlass ist: der 28 jährige Jonas Hector.

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