Mittelschwaebische Nachrichten

In der Not halten sie eisern zusammen

Nach dem Feuer in seinem Kuhstall am vergangene­n Freitag sitzt der Schock bei Landwirt Martin Stadler noch immer tief. Doch die überwältig­ende Solidaritä­t anderer Landwirte und Nachbarn gibt ihm wieder Hoffnung

- VON REBECCA MAYER

Wattenweil­er Noch immer schaudert Martin Stadler, wenn er an die Katastroph­e am vergangene­n Freitag zurückdenk­t. „Wir waren spät dran mit dem Mittagesse­n, als mein Onkel zur Tür hereinrann­te. Es raucht oben, hat er gesagt“, Stadler stockt. „Als wir am Bauernhof ankamen, war die Westseite des Hofs schon abgebrannt. Die Tiere, die dort in den Boxen waren, konnten wir nicht mehr retten. Bevor die Feuerwehr kam, haben wir versucht alle anderen Kühe, Kälber und Bullen aus dem Stall zu treiben“, erinnert sich der Landwirt aus Wattenweil­er. „Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich fühle. Die Situation war und ist unbeschrei­blich. Jetzt versuchen wir das Beste aus diesem Horrorszen­ario zu machen, um irgendwie wieder in den Alltag zurückzufi­nden und den Betrieb am Laufen zu halten.“

Derzeit sind die geretteten Kühe in Oxenbronn bei Landwirt Matthias Sauter auf einer Wiese untergebra­cht. „Am Abend, als der Brand gelöscht war, haben wir die Kühe mit einem Viehtransp­orter nach Oxenbronn gefahren. Wir mussten die Kühe nach dem Brand ja irgendwo unterbring­en. Denn meine Milchkühe mussten am Abend noch gemolken werden,“erklärt Stadler.

„Während es brannte, war Matthias vor Ort und hat uns geholfen, die Tiere im Zaum zu halten. Nach dem Brand war für ihn sofort klar, dass wir die Kühe auf seiner Wiese unterbring­en können und sie mit seinem Melkstand melken dürfen. Zusätzlich haben wir noch einen mobilen Melkstall organisier­t.“

Um die rund 200 Kühe von der Wiese tagtäglich in den Melkstand zu treiben, „helfen mir immer noch 10 bis 15 Leute pro Tag. Einmal half mir sogar die ganze Feuerwehr aus Oxenbronn. Dafür haben sie extra ihre Feuerwehrü­bung abgesagt,“freut sich Stadler. „Ich muss wirklich sagen, dass das, was die Helfer am Brandtag geleistet haben und auch jetzt noch leisten, wirklich nicht selbstvers­tändlich ist. Alle Helfer haben meinen vollen Respekt“, betont er. „Selbst der Futtertisc­h auf der Wiese wurde von Helfern gebaut.“Doch, die Situation auf der Wiese sei, so Martin Stadler, keine Dauerlösun­g. Stadler ist auf der Suche nach einem geeigneten neuen Betrieb. „Bei einem Hof haben wir eventuell die Möglichkei­t, ihn umzubauen und dort weiterzuma­chen. Der Hof ist zwar ein Stück entfernt von unserem Wohnhaus, aber wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.“Nicht nur Landwirt Matthias Sauter und die Feuerwehr aus Oxenbronn sprangen am Tag des Brandes mit in die Bresche. Unter ihnen der 24-jährige Landwirt Markus Zahn aus dem Nachbarsor­t Stoffenrie­d. Die Situation während des Brandes beschreibt er als „reines Chaos. Ich habe selbst einen Bauernhof zu Hause. Als ich die Rauchwolke­n am Himmel sah, dachte ich mir zuerst, ach am Abend ist die Hawaiisaus­e in Wattenweil­er, bestimmt verfeuern die etwas. Doch dann habe ich gesehen, dass die Rauchwolke­n vom Bauernhof Stadler kommen. Ohne groß zu überlegen, habe ich mich ins Auto gesetzt und bin nach Wattenweil­er gefahren.“Als er ankam, seien die Tiere gerade vom Stall auf den Acker getrieben worden. „Ich kenne die Lage des Betriebs. Gerade wegen der Bahnschien­en unterhalb des Hofes wusste ich, dass ich die Tiere irgendwie im Zaum halten muss. In meiner Aufregung bin ich dann auf die Idee gekommen, mit dem Garn der Ballenpres­se eine Weide zu spannen und die Tiere einzutreib­en. Ich habe zwar nicht angefangen die Kühe zu zählen, aber ich war so schnell dort und die provisoris­che Wiese war auch sehr schnell gespannt, dass ich mir sicher bin, dass wir fast alle Tiere retten konnten.“Als die Feuerwehr den Brand soweit gelöscht hatte, hätten die Helfer, so Zahn, Pfähle organisier­t. Denn bis dahin hatten Menschen den Garn für die konstruier­te Wiese gehalten. Bis klar gewesen sei, wo die Kühe am Abend untergebra­cht würden, sei Zahn beim abgebrannt­en Hof geblieben. Dieser Zusammenha­lt bei den Landwirten sei, so sagt er, selbstvers­tändlich. „Denn jeder Landwirt weiß, dass einem dasselbe passieren kann.“Doch unter den Helfern seien beim Brand in Wattenweil­er, so Zach, nicht nur Landwirte gewesen. Jens Schubert aus Wattenweil­er fuhr zusammen mit seiner Freundin und zwei weiteren Freunden mit dem Auto die Umgebung in Wattenweil­er ab. „Wir haben nach freilaufen­den Kühen gesucht, denn wir wussten, dass der Hof unter anderem an die Bahngleise angrenzt.“Eine weitere Lese- rin erklärt gegenüber unserer Zeitung: „Ich war von Anfang an beim Brand dabei. Als ich ankam, bin ich direkt zu den Kühen und habe beim Einfangen und Zusammentr­eiben geholfen.“Innerhalb kürzester Zeit sei der Zaun für die Kühe aufgebaut gewesen, Wasser besorgt und Heu geholt worden. Zwar seien die Tiere für die Situation unglaublic­h ruhig gewesen, doch hätten sie ständig aus dem Zaun ausbrechen wollen. „Einen großen Respekt an den Bauern, der jedes einzelne Tier kannte und, während sein Stall abbrannte, bei seinen Kühen stand und schaute, dass sie versorgt sind“, schreibt sie. Die Helfer seien mit Getränken versorgt worden. „Wir waren wirklich fasziniert, wie man sich gegenseiti­g geholfen hat und wie alles geklappt hat.“

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Über 200 Milchkühe sind nach dem Brand des Stalls von Martin Stadler (rechts) aus Wattenweil­er am Freitag vorübergeh­end auf dem Anwesen des befreundet­en Landwirts Matthias Sauter (links) in Oxenbronn untergekom­men. Mit einem provisoris­chen Melkstand,...
Foto: Bernhard Weizenegge­r Über 200 Milchkühe sind nach dem Brand des Stalls von Martin Stadler (rechts) aus Wattenweil­er am Freitag vorübergeh­end auf dem Anwesen des befreundet­en Landwirts Matthias Sauter (links) in Oxenbronn untergekom­men. Mit einem provisoris­chen Melkstand,...

Newspapers in German

Newspapers from Germany