Mittelschwaebische Nachrichten
Die selbst gesetzte „Deadline“
Fernsehpfarrer Heiko Bräuning spricht in Babenhausen über ein ungewöhnliches Experiment und was er daraus gelernt hat
Babenhausen Die Idee ist ungewöhnlich, aber spannend: Der evangelische Pfarrer Heiko Bräuning hat sich ein fiktives Sterbedatum gesetzt. „Ich wollte spüren, wie es sich im Angesicht des bevorstehenden Todes lebt“, erklärte er. Im Theater am Espach in Babenhausen schilderte er nun die Erlebnisse und Gedankenspiele, die er mit Blick auf die selbst gesetzte „Deadline“erfahren hat. „Diese persönlichen Ereignisse haben mich dazu geführt, nichts mehr auf die lange Bank zu schieben, Entscheidungen nicht mehr hinauszuschieben und die mir geschenkte Lebenszeit ganz bewusst zu nutzen“, sagte Bräuning.
Auf Einladung von Pfarrer Stefan Scheuerl war der in Wilhelmsdorf bei Göggingen lebende Fernsehpfarrer, freiberufliche Hörfunkjournalist und Autor nach Babenhausen gekommen. Vor zahlreichen Besuchern blickte er auf die Zeit zurück, die sein Leben drastisch verändert habe. Das in Kirchen häufig gehörte Gebet aus Psalm 90, Vers 12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“, habe ihn zum tieferen Nachdenken angeregt. „Wie soll man das tun, wenn es einen jeden Tag treffen kann, andererseits das statistische Lebensende noch Jahrzehnte entfernt liegt?“, fragte er. Um gemäß den Worten des Psalms „klug“zu werden, habe er sich selbst ein noch vier Jahre entferntes Todesdatum gesetzt. „Kaum stand der 16. April 2016 in meinem Kalender, hat sich in meinem Leben vieles verändert“, sagte Bräuning.
Er habe erkannt, dass er als Gemeindepfarrer nicht am richtigen Platz war und sei aus dem landeskirchlichen Dienst ausgestiegen. So konnte er dem von ihm ins Leben gerufenen TV-Gottesdienst „Stunde des Höchsten“und seiner Leidenschaft als Liedermacher mehr Zeit widmen. „Ich habe noch keinen einzigen Tag bereut“, blickte der Referent zurück.
Auch im Alltag habe er die selbst gesetzte Deadline und den Gedanken, dass bald alles vorbei sein könnte, nicht mehr aus dem Kopf gebracht. „Die mir verbleibende Zeit war zu kurz, um sie mit Nebensächlichkeiten und lästigen Angelegenheiten zu verbringen. Ich wollte glücklich und zufrieden sein“, sagte der Fernsehpfarrer.
Ganz nach dem Motto „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume“habe er sich das längst ersehnte Klavier gekauft und sich viel Zeit zum Komponieren und Texten genommen. Und trotz der vielen Arbeit im Büro ist er mit seinem Sohn auf den Fußballplatz gegangen. Anstatt mit seiner Frau wegen Kleinigkeiten im Clinch zu liegen, habe er sich bei einem Glas Wein mit ihr ausgesprochen. „Versöhnung und Vergebung sollten nie auf die lange Bank geschoben werden“, riet Bräuning seinen Zuhörern im Fuggermarkt. „Bleibe so, wie du bist. Gott hat jeden als einmaliges Original geschaffen.“
Rückblickend sieht der Fernsehpfarrer das damals selbst gesetzte Sterbedatum als Zeit, während der er gelernt habe, den „Freund Tod“in sein Leben zu holen. „Dieses Experiment hat mein Leben verändert und mir viele neue wertvolle Erfahrungen und Einsichten geschenkt“, sagte er. Die ihm noch verbleibende Zeit empfinde er ganz bewusst als Geschenk. „Machen Sie ebenfalls das Beste aus Ihrem Leben“, riet er dem begeistert applaudierenden Publikum.