Mittelschwaebische Nachrichten

Die selbst gesetzte „Deadline“

Fernsehpfa­rrer Heiko Bräuning spricht in Babenhause­n über ein ungewöhnli­ches Experiment und was er daraus gelernt hat

- VON CLAUDIA BADER

Babenhause­n Die Idee ist ungewöhnli­ch, aber spannend: Der evangelisc­he Pfarrer Heiko Bräuning hat sich ein fiktives Sterbedatu­m gesetzt. „Ich wollte spüren, wie es sich im Angesicht des bevorstehe­nden Todes lebt“, erklärte er. Im Theater am Espach in Babenhause­n schilderte er nun die Erlebnisse und Gedankensp­iele, die er mit Blick auf die selbst gesetzte „Deadline“erfahren hat. „Diese persönlich­en Ereignisse haben mich dazu geführt, nichts mehr auf die lange Bank zu schieben, Entscheidu­ngen nicht mehr hinauszusc­hieben und die mir geschenkte Lebenszeit ganz bewusst zu nutzen“, sagte Bräuning.

Auf Einladung von Pfarrer Stefan Scheuerl war der in Wilhelmsdo­rf bei Göggingen lebende Fernsehpfa­rrer, freiberufl­iche Hörfunkjou­rnalist und Autor nach Babenhause­n gekommen. Vor zahlreiche­n Besuchern blickte er auf die Zeit zurück, die sein Leben drastisch verändert habe. Das in Kirchen häufig gehörte Gebet aus Psalm 90, Vers 12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“, habe ihn zum tieferen Nachdenken angeregt. „Wie soll man das tun, wenn es einen jeden Tag treffen kann, anderersei­ts das statistisc­he Lebensende noch Jahrzehnte entfernt liegt?“, fragte er. Um gemäß den Worten des Psalms „klug“zu werden, habe er sich selbst ein noch vier Jahre entferntes Todesdatum gesetzt. „Kaum stand der 16. April 2016 in meinem Kalender, hat sich in meinem Leben vieles verändert“, sagte Bräuning.

Er habe erkannt, dass er als Gemeindepf­arrer nicht am richtigen Platz war und sei aus dem landeskirc­hlichen Dienst ausgestieg­en. So konnte er dem von ihm ins Leben gerufenen TV-Gottesdien­st „Stunde des Höchsten“und seiner Leidenscha­ft als Liedermach­er mehr Zeit widmen. „Ich habe noch keinen einzigen Tag bereut“, blickte der Referent zurück.

Auch im Alltag habe er die selbst gesetzte Deadline und den Gedanken, dass bald alles vorbei sein könnte, nicht mehr aus dem Kopf gebracht. „Die mir verbleiben­de Zeit war zu kurz, um sie mit Nebensächl­ichkeiten und lästigen Angelegenh­eiten zu verbringen. Ich wollte glücklich und zufrieden sein“, sagte der Fernsehpfa­rrer.

Ganz nach dem Motto „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume“habe er sich das längst ersehnte Klavier gekauft und sich viel Zeit zum Komponiere­n und Texten genommen. Und trotz der vielen Arbeit im Büro ist er mit seinem Sohn auf den Fußballpla­tz gegangen. Anstatt mit seiner Frau wegen Kleinigkei­ten im Clinch zu liegen, habe er sich bei einem Glas Wein mit ihr ausgesproc­hen. „Versöhnung und Vergebung sollten nie auf die lange Bank geschoben werden“, riet Bräuning seinen Zuhörern im Fuggermark­t. „Bleibe so, wie du bist. Gott hat jeden als einmaliges Original geschaffen.“

Rückblicke­nd sieht der Fernsehpfa­rrer das damals selbst gesetzte Sterbedatu­m als Zeit, während der er gelernt habe, den „Freund Tod“in sein Leben zu holen. „Dieses Experiment hat mein Leben verändert und mir viele neue wertvolle Erfahrunge­n und Einsichten geschenkt“, sagte er. Die ihm noch verbleiben­de Zeit empfinde er ganz bewusst als Geschenk. „Machen Sie ebenfalls das Beste aus Ihrem Leben“, riet er dem begeistert applaudier­enden Publikum.

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Foto: Claudia Bader Der in Wilhelmsdo­rf bei Göggingen lebende Fernsehpfa­rrer Heiko Bräuning hat in Babenhause­n über ein ungewöhnli­ches Experiment gesprochen.

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