Mittelschwaebische Nachrichten
Macht jetzt Österreich die Grenze dicht?
Der Kompromiss in der Union weckt Misstrauen in Wien – und in der SPD
Berlin Welche Risiken und Nebenwirkungen der Asylkompromiss hat, zeigt sich schon am Tag nach der Einigung zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz – in der Flüchtlingspolitik eigentlich ein Verbündeter der CSU – stellt am Dienstag klar: „Wenn Deutschland nationale Maßnahmen ergreift, werden auch wir uns schützen müssen.“Macht Österreich den Brenner dicht? Auszuschließen ist das nicht mehr, selbst wenn niemand Interesse daran hat. Auch die SPD reagiert misstrauisch auf die Vereinbarungen der Unionsschwestern.
Die Beratungen über den Migrationskompromiss vertagt der schwarz-rote Koalitionsausschuss am Dienstagabend auf Donnerstag. SPD-Chefin Andrea Nahles sagt nach dem Treffen, die Runde habe in der gesamten Themenbreite Fortschritte erreicht. „Wir sind aber noch nicht ganz zusammen.“
Hat die zerstrittene Union das Problem also gar nicht gelöst, sondern nur an die SPD beziehungsweise den Nachbarn Österreich abgeschoben? CSU-Generalsekretär Markus Blume weist das zurück. „Der Vorwurf ist falsch. Wir haben zum einen erreicht, dass es in ganz Europa eine Asylwende gibt. Und zum anderen ergreifen wir jetzt im Rahmen der Beschlüsse des EUGipfels die notwendigen nationalen Maßnahmen, um die Sekundärmigration, das heißt die unkontrollierte Einreise, in Zukunft wirksam zu verhindern“, sagt er unserer Zeitung. Über den Koalitionspartner macht er sich keine Sorgen. „Ich gehe davon aus, dass das auch die Zustimmung der SPD finden wird.“
Und was ist mit Österreich? Bundesinnenminister Seehofer kündigt an, „kurzfristig“nach Wien zu reisen, um Unklarheiten zu beseitigen. Blume betont, mit Kurz „haben die Abstimmungsgespräche bereits begonnen“. Die Vorstellung, dass CDU und CSU an der bayerisch-österreichischen Grenze Transitzentren für Flüchtlinge einrichten wollen, weckt in Wien Erklärungsbedarf. „Wir erwarten eine klare Regierungslinie“, sagt Kurz. Dazu gehöre auch die Position der SPD. Deren früherer Chef Martin Schulz will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen: „Es kann nicht sein, dass sich da ein paar Durchgeknallte wochenlang gegenseitig öffentlich beschimpfen, beleidigen“und die SPD dann innerhalb von 24 Stunden entscheiden solle. Vor allem um den
„Des is scho wieder Geschichte.“Horst Seehofer über seine Rücktrittsankündigung
Namen „Transitzentrum“wird heftig gestritten. 2015 hatte die SPD diese als „Massenlager“bezeichnet und abgelehnt. Der Chef der CSULandtagsfraktion, Thomas Kreuzer, betont, diesmal handle es sich „um einen ganz anderen Sachverhalt“. Er ist überzeugt, dass die Maßnahmen wirken: „Viele werden sich erst gar nicht mehr auf den Weg machen.“Zumindest Seehofer, der mit seiner Rücktrittsankündigung das ganze Land in Atem hielt, scheint mit sich im Reinen zu sein. „Des is scho wieder Geschichte“, sagt er am Rande der Fraktionssitzung von CDU und CSU. Die Mehrheit der Deutschen sieht das anders: 69 Prozent der Bundesbürger finden laut einer Forsa-Umfrage für das RTL/n-tvTrendbarometer, dass Seehofer hätte zurücktreten sollen. Unter den CSU-Anhängern sind es 45 Prozent.
Im schreibt Rudi Wais, dass der Asylkompromiss viele Fragezeichen enthält. Auf der
erzählen wir die Geschichte der Last-Minute-Einigung. In der
beantwortet Margit Hufnagel die wichtigsten Fragen, Bernhard Junginger erklärt die Lage der SPD.