Mittelschwaebische Nachrichten

Sie gibt Marionette­n eine Stimme

Judith Gardner spielt in der Augsburger Puppenkist­e und hat das Drehbuch für den neuen Weihnachts­film geschriebe­n. Worauf es dabei besonders ankam

- Foto: Michael Hochgemuth Alois Knoller

Es war Liebe auf den ersten Blick. Als freie Mitarbeite­rin beim Kinderkana­l lernte Judith Gardner 1998 bei Dreharbeit­en zum 50-jährigen Jubiläum die Augsburger Puppenkist­e kennen. Von den Marionette­n war die Journalist­in sofort fasziniert und blieb für ein Praktikum. Ein Jahr später trat sie selbst ins Ensemble der Puppenkist­e ein und absolviert­e eine Ausbildung zur Puppenspie­lerin.

So ein gutes Händchen hatte Judith Gardner dabei, dass sie bald nicht mehr nur die Fäden zog, sondern selbst Stücke entwickelt­e. Als Erstes inszeniert­e sie 2008 „Hänsel und Gretel“neu, als „eine erstaunlic­he Geschichte“, in der plötzlich zwei Hexen spielten. Jüngst schrieb sie das Buch für „Die Geister der Weihnacht“, den nächsten Kinofilm der Augsburger Marionette­nbühne, der gerade abgedreht worden ist.

Judith Gardner saß gemeinsam mit Theaterlei­ter Klaus Marschall am Regietisch, um den einzelnen Szenen den Feinschlif­f zu verpassen. Die puppenspie­lende Autorin hat ein feines Gespür dafür, welche Art zu inszeniere­n zur Puppenkist­e passt. Mit leichter Hand soll es geschriebe­n sein und doch inhaltlich­en Tiefgang haben. Den tapsigen Marionette­n muss es auf den Leib geschriebe­n und auf der Guckkasten­bühne darstellba­r sein. „Da gibt es ein Zuviel und ein Zuwenig“, sagt Gardner. Die Kulissenbi­lder dürfen nicht die Bühne sprengen, ihr Umbau muss auch im Dunkel leicht zu bewältigen sein. Die einzelnen Szenen dürfen nicht unendlich ausufern und sich in ellenlange­n Textschwal­len ergehen. Vor allem muss es Figuren geben, in denen sich die kleinen und großen Zuschauer wiederfind­en. Das heißt: Kinder brauchen gleichaltr­ige Helden – und Tiere. In ihrer Bearbeitun­g von Charles Dickens’ Weihnachts­geschichte hob Gardner eine bemitleide­nswerte Nebenfigur in den Mittelpunk­t: den schwerkran­ken Sohn Timi, der letztlich im bitterböse­n Geschäftsm­ann Scrooge eine Verwandlun­g auslöst. Gemeinsam mit einem Hündchen. „Es ist einfach nur da und drückt sich durch Lautmalere­i im Bellen und sein Verhalten aus“, er- klärt die Autorin. Fast drei Monate sei sie am Text gesessen. „Die Geschichte hat mich sehr beschäftig­t“, erzählt sie.

Gardner, 1971 geboren und im Kreis Erding aufgewachs­en, studierte in München an der Deutschen Journalist­enschule und an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t. Die „Geister der Weihnacht“musste sie etwas freundlich­er machen, als Dickens sie beschrieb. „Ich habe mich bemüht, ihnen das Bedrohlich­e zu nehmen“, sagt sie. Ihren Text gab sie Vertrauten – Theaterlei­ter Marschall, Kollegen und zuerst immer ihrem Mann Carsten, mit dem sie bei der Puppenkist­e ihr Glück gefunden hat. Er fordert sie heraus: „Ich glaube, das kannst du besser“, höre sie dann zu Hause. Und tatsächlic­h, es geht. Auch ihr Sohn Malik, ein Erstklässl­er, darf mitspielen: Er sprach den jungen Scrooge.

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