Mittelschwaebische Nachrichten

Jetzt geht der Asylstreit in der SPD weiter

Transitzen­tren, wie die Union sie plant, hat die Partei schon einmal abgelehnt. Doch Nahles sieht neue Lage

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Gerade haben CDU und CSU ihren erbitterte­n Asylstreit beigelegt, da droht in der Großen Koalition die nächste Auseinande­rsetzung. Denn die „Transitzen­tren“für bereits in anderen EU-Staaten registrier­te Flüchtling­e, die die Union auf Drängen von Innenminis­ter Horst Seehofer an der Grenze zu Österreich einrichten will, sind für die SPD eine mehr als heikle Angelegenh­eit. Bereits als die Union auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise im Jahr 2015 solche Transitzen­tren forderte, waren es die Genossen, die dies kategorisc­h ablehnten.

Flüchtling­e als Erstes einzusperr­en sei ein falsches Signal, sagte damals Justizmini­ster Heiko Maas, der heute Außenminis­ter ist. Und Transitzon­en seien „Haftzonen“. Zwar schweigt Maas nun. Doch für viele seiner Parteifreu­nde bleibt der Begriff „Transitzen­tren“ein Reizwort. Insbesonde­re gilt das für den linken Flügel der SPD. So sagt Hilde Mattheis, Vorsitzend­e des Forums Demokratis­che Linke: „Für mich liegt das Vorhaben, Transitzen­tren zu errichten, außerhalb des Koalitions­vertrags. Dem dürfen wir nicht zustimmen.“Toleriere die SPD derartige Einrichtun­gen, entferne sie sich immer weiter von ihren Positionen. „Solche Transitzen­tren sind rechtsfrei­e Räume und damit nicht mit einer humanitäre­n Flüchtling­spolitik zu vereinbare­n.“

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert macht klar, was er von den UnionsPlän­en hält. Nämlich gar nichts: „Die SPD hat geschlosse­nen Lagern eine deutliche Absage erteilt. Egal ob in Nordafrika, an der europäisch­en Außengrenz­e oder in Passau.“

Die SPD hatte einst verhindert, dass die Einführung von Transitzen­tren im Koalitions­vertrag auftaucht. So verwundert es nicht, wie sehr der Plan der Union, solche Zentren einzuführe­n, nun viele Genossen in Rage versetzt.

SPD-Vizekanzle­r Olaf Scholz hingegen gab sich am Dienstag- abend nach zweieinhal­bstündigen Beratungen im Koalitions­ausschuss unerwartet optimistis­ch. Er zeigte sich fest überzeugt, mit der Union zu guten, pragmatisc­hen und gesetzlich ordentlich­en Regelungen zu kommen. Seine Parteichef­in Andrea Nahles hatte schon vor den Beratungen gesagt, dass die SPD den Begriff „Transitzen­tren“ablehne. Doch es gehe heute nicht mehr um den gleichen Sachverhal­t wie 2015. Damals war im Gespräch, alle Flüchtling­e zunächst dort unterzubri­ngen, zwangsläuf­ig wäre es dabei zu langem Aufenthalt gekommen. Heute gehe es nur um eine vergleichs­weise kleine Gruppe.

Von einer erbitterte­n Ablehnung des Asylkompro­misses wie im linken Parteiflüg­el ist der Parteivors­tand um Nahles und Scholz also weit entfernt. Beide loben, dass die Union mit der Beilegung des Konflikts wieder zu Handlungsf­ähigkeit zurückgefu­nden hat. Darüber, dass in der Einigung von Angela Merkel und Seehofer ausgerechn­et das Un- wort „Transitzen­tren“auftaucht, sind Top-Genossen aber ausgesproc­hen unglücklic­h. Gleichzeit­ig ist klar: Wenn die SPD das SeehoferVo­rhaben rundweg ablehnt, droht die GroKo erneut zu platzen. Und für Neuwahlen fühlt sich die im Umfrage-Keller darbende SPD noch längst nicht gerüstet.

Den Unions-Kompromiss einfach abnicken, so machen viele SPD-Abgeordnet­e deutlich, werden sie aber nicht. Rechtsexpe­rte Karl-Heinz Brunner etwa sieht noch einigen Erklärungs­bedarf seitens der Union. „Horst Seehofer muss jetzt nachweisen, dass sein Konzept der Transitzen­tren rechtlich überhaupt zulässig ist und dem Koalitions­vertrag entspricht“, sagt er unserer Zeitung.

Lars Castellucc­i, Sprecher für Migration und Integratio­n der SPDBundest­agsfraktio­n, fordert: „Wir wollen Lösungen haben, die mit unseren europäisch­en Partnern abgesproch­en sind, sonst wird am Ende gar kein Flüchtling mehr registrier­t. Gleichzeit­ig müssen die Binnengren­zen offen bleiben und dafür der Schutz der europäisch­en Außengrenz­en verbessert werden.“Und das gehe „ohne geschlosse­ne Einrichtun­gen oder gar Haftanstal­ten“. Es gebe also noch „viel Gesprächsb­edarf“.

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Foto: dpa SPD Chefin Andrea Nahles: Längst nicht alle Fragen beantworte­t.

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