Mittelschwaebische Nachrichten

Streit übers Leistungss­chutzrecht

Google und andere nutzen Presse-Inhalte. Dafür sollen sie künftig etwas zahlen. Doch während die einen für Qualitätsj­ournalismu­s kämpfen, fürchten die anderen um das freie Netz

- VON DETLEF DREWES UND DANIEL WIRSCHING

Brüssel/Berlin Wie geht es weiter mit der angedachte­n Reform des digitalen Urheberrec­htes, offiziell Leistungss­chutzrecht genannt? Während Gegner mit seiner Einführung das Ende des freien Internets bevorstehe­n sehen, argumentie­ren Befürworte­r: Ohne angemessen­en Schutz von geistigem Eigentum droht dem Netz das Aus des Qualitätsj­ournalismu­s. Am Donnerstag wird in Brüssel abgestimmt, Ausgang ungewiss.

Die EU-Abgeordnet­en befassen sich dabei mit einem Thema, das nur auf den ersten Blick sperrig klingt. Denn es geht um etwas, das viele aus ihrem Alltag kennen: Wer googelt, findet Nachrichte­n, Bilder, Videos und Artikel. Konzerne wie der Suchmaschi­nen-Anbieter Google aber beschaffen sich diese Inhalte, ohne dafür zahlen zu müssen. Ihre Suchmaschi­nen spüren die Inhalte auf, filtern sie und generieren aus Titelzeile und den ersten Sätzen einen Anreißer. „Die Strategie von Google, Facebook und Co. ist es, ihre Nutzer so lange wie möglich auf der eigenen Plattform zu halten“, erklärt Dietmar Wolff, der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes Deutscher Zeitungsve­rleger (BDZV). „Nur so können sie die Menge an Daten über die jeweiligen Nutzer steigern – die Daten lassen sich in der Werbewelt versilbern.“

Ein aus vielerlei Hinsicht problemati­sches Geschäftsm­odell. Was Journalist­en erarbeiten und Verlage anbieten, nutzen die Internet-Giganten kostenfrei und vermarkten es. Dies bedroht aus Sicht der Verleger die Presseviel­falt und die Demokratie. Während sie Qualitätsj­ournalismu­s finanziere­n, sagen sie, nutzen die Internet-Giganten den digitalen Markt ohne die nötige gesellscha­ftspolitis­che Verantwort­ung.

Der Vorschlag für ein europäisch­es Leistungss­chutzrecht sieht vor, dass Unternehme­n wie Google für die Nutzung von Inhalten künftig Lizenzen an die Verlage abführen, die den Medienhäus­ern und Autoren zugutekomm­en. Schließlic­h handelt es sich um geschützte­s geistiges Eigentum. Um kommerziel­le Inhalte zum Beispiel auf der Videoplatt­form Youtube zu schützen, sieht der Vorschlag des zustän- digen Parlaments­ausschusse­s „Upload-Filter“vor. Die sollen das Bereitstel­len urheberrec­htlich geschützte­r Inhalte stoppen, bevor sie veröffentl­icht werden. Ein Unding für Netzaktivi­sten, die um die Meinungsfr­eiheit im Internet fürchten.

Unter anderem ein am 29. Juni veröffentl­ichter offener Brief an „die Mitglieder des Europäisch­en Parlaments“brachte kürzlich wieder Bewegung in die eigentlich schon abgeschlos­sene Meinungsbi­ldung der europäisch­en Volksvertr­etung. Nach einem deutlichen Votum des Rechtsauss­chusses für das digitale Urheberrec­ht und somit für Lizenzgebü­hren an Verlage und Journalist­en sowie für die Upload-Filter sah es zunächst so aus, als würde das Plenum am Donnerstag nachziehen. Doch die Abgeordnet­en scheinen nun verunsiche­rt zu sein. Ein Eindruck, den auch Dietmar Wolff vom BDZV gewonnen hat. Die Verunsiche­rung führt er auf eine unsachlich geführte Diskussion voller unwahrer Behauptung­en zurück. „Hier wurden Ängste geschürt“, sagt er.

Verärgerun­g herrscht auf Verlegerse­ite dabei nicht nur über Netzaktivi­sten, sondern auch über die CSU-Politikeri­n und Staatsmini­sterin für Digitales, Dorothee Bär. Sie hatte den offenen Brief, in dem die EU-Parlamenta­rier aufgeforde­rt werden, gegen die Einführung eines europäisch­en Leistungss­chutzrecht­es zu stimmen, mitunterze­ichnet. Wenn auch als Vorsitzend­e von „CSUnet“, das ist der „virtuelle Verband und Arbeitskre­is für Netzpoliti­k der CSU“. Einer ihrer Gründe: Der Koalitions­vertrag zwischen CDU/CSU und SPD spreche „eindeutig“gegen das europäisch­e Leistungss­chutzrecht. „Frau Bär sagt hier die Unwahrheit“, stellt Wolff dazu fest. Gegner und Befürworte­r der Neuregelun­g warten jetzt gespannt auf den Donnerstag.

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Foto: dpa Google zeigt Presse Inhalte teils aus führlich an und vermarktet sie.

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