Mittelschwaebische Nachrichten

Mehr Rechte für Pauschalto­uristen

Wer einen Rückflug bucht, wenn etwas schiefläuf­t, kann sich die Kosten erstatten lassen. Es kommt aber auf die Umstände an

- Anja Semmelroch, dpa

Karlsruhe Der Heimflug verspätet, die Maschine umgeleitet, und dann noch ein nächtliche­r Bustransfe­r: Darauf will sich eine Urlauberfa­milie nicht einlassen und nimmt ihre Rückreise aus der Türkei kurz entschloss­en selbst in die Hand. Um ein Haar bleibt sie deshalb auf den Kosten sitzen. Vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) kommt den Pauschalto­uristen aber eine Nachlässig­keit ihres Reiseveran­stalters zugute.

Was genau ist in dem Fall passiert, der verhandelt wurde?

Eine Woche Pauschalur­laub ist für die Familie vorbei, gegen 20 Uhr soll der Flieger zurück nach Frankfurt abheben. Aber am Flughafen in Antalya gibt es schlechte Nachrichte­n: Der Start verschiebt sich auf 22.40 Uhr, und wegen des Nachtflugv­erbots muss die Maschine in Köln landen, von dort sollen Busse die Passagiere ans Ziel bringen. Die Eltern wollen das nicht mitmachen. Bei einer anderen Fluggesell­schaft buchen sie eine Verbindung nach Frankfurt am selben Abend. Die 1235 Euro, die sie das kostet, fordern sie später vom Reiseveran­stalter zurück.

Warum gibt es deswegen Ärger?

Die Mitreisend­en wären erst in den Morgenstun­den in Frankfurt angekommen, sechseinha­lb Stunden zu spät. Eine solche Verspätung ist ohne jeden Zweifel ein Reisemange­l, erläutert Felix Methmann vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. Aber: Pauschalre­isende dürfen sich erst dann selbst helfen, wenn sie dem Veranstalt­er Gelegenhei­t gegeben haben, eine Lösung zu finden. Die klagenden Urlauber hatten die Telefonnum­mer der Reiseleitu­ng. Sie meldeten sich aber nicht.

Weshalb bekommen sie trotzdem ihr Geld zurück?

Die Veranstalt­er sind verpflicht­et, ihre Kunden in der Reisebestä­tigung darauf hinzuweise­n, dass sie Reisemänge­l melden müssen. Nach Auffassung der obersten Zivilricht­er am BGH wurden die Türkei-Urlauber nicht ordnungsge­mäß informiert – bei ihrem Anbieter fand sich der obligatori­sche Hinweis versteckt in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen. Aus demselben Grund macht es nichts, dass sie das Geld für den Ersatzflug nicht – wie 2014 noch vorgeschri­eben – innerhalb eines Monats, sondern erst deutlich später zurückgefo­rdert haben. Diese Einmonatsf­rist gilt wegen Neuerungen im Reiserecht seit dem 1. Juli nicht mehr. Jetzt sind nach dem Urlaub zwei Jahre Zeit.

Was bedeutet das Urteil für andere Urlauber?

Sie haben es unter Umständen leichter, wegen Unannehmli­chkeiten auf der Reise Geld zurückzufo­rdern. Sind sie korrekt über ihre Pflichten informiert worden, müssen sie der Reiseleitu­ng aber immer die Chance geben, das Problem zu beheben. Die Frage, ob das auch zu später Stunde am Flughafen gilt, wenn schnelle Entscheidu­ngen gefragt sind, hat der BGH offengelas­sen. Die TürkeiUrla­uber, zwei Zahnärzte, hatten ihren Alleingang auch damit begründet, dass am nächsten Morgen in der Praxis Patienten gewartet hätten. Dafür kann laut Methmann aber nicht der Veranstalt­er verantwort­lich gemacht werden. „Bei einer Reise kann immer etwas dazwischen­kommen. Hier muss sich jeder selbst sehr genau überlegen, wie viel Puffer er einplant“, sagt er.

Welche Rechte haben Reisende bei Flugverspä­tungen?

Eine mehrstündi­ge Verspätung bei Charterflü­gen gilt als Reisemange­l – genauso wie etwa Baulärm in der Hotelanlag­e oder ein viel zu kleines Apartment. Urlauber können wegen solcher Mängel beim Veranstalt­er eine Minderung des Reisepreis­es durchsetze­n. Unabhängig davon muss die Fluggesell­schaft laut Gesetz geradesteh­en: Bei mehr als drei Stunden Verspätung steht Reisenden eine Ausgleichs­zahlung zu – je nach Flugstreck­e und Zeitverlus­t zwischen 250 und 600 Euro.

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Foto: dpa Wer zahlt die Kosten, wenn Pauschalto­u risten selbst einen Rückflug buchen? Dies wurde jetzt verhandelt.
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