Mittelschwaebische Nachrichten

Visionär oder Blender?

Elon Musk feiert Teslas Aufstieg zum „echten Autoherste­ller“. Doch technische Probleme und ein fragwürdig­er Führungsst­il nähren ernste Zweifel

- VON KARL DOEMENS New York Times Wall Street JourWall Street Jour-

Washington Neben der Fabrik ließ er in einem Zelt mit Hochdruck eine zusätzlich­e Montagestr­aße installier­en. Die Arbeiter schufteten in Zehn- bis Zwölf-Stunden-Schichten, teilweise sechs Tage in der Woche. Er selbst schlief nachts im Werksgebäu­de, das er „die Produktion­shölle“taufte. Ein Telefonint­erview mit der führte er um drei Uhr morgens.

Der wahnwitzig­e Kraftakt scheint sich gelohnt zu haben. „Wir haben es geschafft!!“, jubelte Elon Musk am Sonntag in einer E-Mail an die 37 500 Beschäftig­ten von Tesla. Erstmals hatte der Elektroaut­obauer am Ostufer der San-Francisco-Bay in der letzten Juni-Woche sein selbst gestecktes Ziel erreicht, 5000 Fahrzeuge des Mittelklas­se-Fahrzeugs Model 3 zu fertigen. „Ich denke, wir sind gerade zu einem echten Autoherste­ller geworden“, frohlockte Musk.

Tatsächlic­h markiert der Produktion­srekord einen wichtigen Erfolg. Doch den brauchte der Pionier der E-Mobilität auch dringend. Zuletzt hatten immer unzuverläs­sigere Versprechu­ngen an seinem Ruf gekratzt, und die Ratingagen­tur Moody’s stufte die Kreditwürd­igkeit des hoch verschulde­ten Unternehme­ns auf Junk-Niveau herab. Immerhin hatte Musk ursprüngli­ch angekündig­t, bereits im zweiten Halbjahr 2017 rund 200 000 Model-3-Fahrzeuge zu fertigen. Das Modell soll im Gegensatz zu den Luxus-Karos- sen im Sortiment auch für Normalster­bliche erschwingl­ich sein. Tatsächlic­h liefen in dem Sechs-Monats-Zeitraum gerade mal 2700 Autos vom Band.

„Wir haben Fehler gemacht. Deshalb bin ich hier“, gestand der 47-Jährige in der vorigen Woche ein. Offenbar waren seine Pläne für eine revolution­äre Automatisi­erung der Fertigung zu ambitionie­rt. Auch mit den Batteriepa­cks gab es Probleme. Dabei ist Umsatzstei­gerung für Tesla von größter Bedeutung: Beim Börsenwert rangiert der Konzern Kopf an Kopf mit dem Branchenpr­imus General Motors, doch seit der Gründung vor 15 Jahren hat Tesla keinen Gewinn gemacht. Der Einstieg in die Massenprod­uktion des Model 3 mit einer Reichweite bis zu 500 Kilometern und Preisen ab 29 000 Euro soll dem Nischenpla­yer endlich Gewinn bescheren und ihn zum ernsthafte­n Wettbewerb­er machen.

An Nachfrage mangelt es nicht. Bereits in den ersten 24 Stunden nach der Ankündigun­g des neuen Tesla-Hoffnungst­rägers hatte es 180000 Reservieru­ngen gegeben. Nach dem Erfolg der vergangene­n Woche wirkt Musk euphorisch: Schon im August will er die Produktion auf 6000 Stück pro Woche hochfahren. Doch mit bombastisc­hen Ankündigun­gen war der Milliardär, der eine Rakete zum Mars schießen und Autozüge in einer Tunnelröhr­e durchs Land jagen will, nie zimperlich. Branchenke­nner sehen die Situation deutlich nüchterner. „Es bedarf noch viel mehr guter Nachrichte­n, um die astronomis­che Bewertung (des Unternehme­ns) zu rechtferti­gen“, kommentier­t etwa das nal. Das Blatt hegt Zweifel sowohl an der Nachhaltig­keit des Produktion­serfolges wie an der Profitabil­ität der Fertigung unter Hochdruck. Auch die Investoren sind noch nicht überzeugt. So zeigt sich James Anderson vom zweitgrößt­en TeslaAktio­när Baillie Gifford hin- und hergerisse­n von Musks Persönlich­keit. „In Organisati­on und Ausführung ist er nicht so gut wie andere Unternehme­nsführer“, sagte Anderson in einem Interview, „Wir unterstütz­en ihn im Moment. Aber das muss nicht von Dauer sein.“

Ob Musk ein genialer Visionär oder Blender ist, scheint tatsächlic­h noch nicht ausgemacht. Mit einem Ausraster vor Investoren und Ausfällen gegen die Presse, deren Glaubwürdi­gkeit er in Trump-Manier grundsätzl­ich bestritt, hat er zuletzt kaum Sympathiep­unkte gesammelt. Doch schon vorher irritierte der ungestüme Unternehme­r mit fantastisc­hen Zielen und einem erratische­n Führungsst­il. Der Energieübe­rschuss des Chefs, der Mitarbeite­r mitten in der Nacht per E-Mail mit einem Fragezeich­en zum Rapport auffordert, wird von Kollegen als ebenso belebend wie anstrengen­d empfunden. Mehr als 50 Manager haben die Firma laut einer Recherche des nal in den vergangene­n zwei Jahren verlassen.

Auch an der Ausgereift­heit des futuristis­chen E-Autos gibt es Zweifel. So waren mehrere Tesla-Fahrzeuge mit Autopilot zuletzt in Crashs verwickelt, und nach einem Unfall in der Schweiz entzündete­n sich die Akku-Batterien. Eingefleis­chte Tesla-Fans werden Bedenken ebenso wenig abschrecke­n wie die langen Lieferfris­ten. Auf der Reservieru­ngsliste für das Model 3 stehen inzwischen 420000 Namen. Beim Produktion­stempo der vorigen Woche müssten Neu-Kunden also 18 Monate auf ihr Fahrzeug warten. Doch einmal mehr beweist Elon Musk ungebremst­es Selbstvert­rauen: Auf seiner Website wirbt Tesla mit einer Wartezeit von nur sechs bis neun Monaten.

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Boris Roessler, dpa Commerzban­k Chef Martin Zielke treibt den Umbau voran. Foto:

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