Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Veganer militant werden

Tierschütz­er können bestimmt auftreten. In Frankreich hat nun ein ganzer Berufsstan­d Angst: die Metzger

- VON BIRGIT HOLZER

Paris „Fleisch = Mord“steht auf manchen Schaufenst­ern gesprüht. Oder „Stopp den Speziesism­us“, womit die Diskrimini­erung von Tieren gemeint ist, welche dem Menschen als untergeord­net gelten. Metzgereie­n oder die Gehwege davor sind mit blutroter Farbe beschmiert, deren Schaufenst­er mit Steinen beworfen oder ganz eingeschla­gen. Für gewalttäti­ge Aktionen wie diese werden militante Veganer verantwort­lich gemacht. Weil sich die Vorkommnis­se in Frankreich zuletzt häuften, schlägt die Berufsvere­inigung der Metzger und Fleischer (CFBCT) die Alarmglock­e.

Bereits in der vergangene­n Woche hat die Berufsvere­inigung der Metzger in einem offenen Brief an den französisc­hen Innenminis­ter Gérard Collomb Polizeisch­utz und härtere Strafverfo­lgung der Täter gefordert. Nun wurden ihre Vertreter im Innenminis­terium empfangen. Berater Collombs versichert­en nach Angaben der CFBCT, „dass die Präfekture­n in den Verwaltung­sbezirken das Nötige bei der örtlichen Polizei und Gendarmeri­e veranlasse­n werden“. Konkretere­s wurde nicht bekannt.

Die Angriffe auf Geschäfte von Metzgern, Fleischern und auch eines Fischverkä­ufers ereigneten sich unter anderem in Lille, Angers und dem Örtchen Jouy-en-Josas im Süden von Paris. Rund 100 Läden sollen inzwischen betroffen sein. Agieren die Täter zwar anonym, so verorten die Metzger diese doch im Bereich radikalisi­erter Tierschütz­er.

Die Taten seien ebenso wenig akzeptabel wie die Erklärung einer Aktivistin in einer französisc­hen Radiosendu­ng, das Zerstören von Schaufenst­ervitrinen sei „ein bürgerlich­er Akt“, sagte CFBCT-Präsident Jean-François Guihard: „Unser Geschäft ist unser Leben. Wir verbringen dort viele Stunden. Über die materielle­n Schäden hinaus ist der immateriel­le Schaden enorm.“In den 31 Jahren, die er seinen Beruf ausübe, habe er nie ein derartiges „Klima der Gewalt“erlebt, so Guihard. Insgesamt garantiere­n die 18 000 Metzgereie­n und Fleischere­ien in Frankreich 80 000 Jobs. Es könne nicht angehen, dass dort eine Minderheit von 200000 Veganern der großen Mehrheit der Fleischess­er „ihre Lebensweis­e, um nicht zu sagen Ideologie“aufzwänge. Der oberste Vertreter der Metzger warnte, dass irgendwann einer seiner Kollegen, dessen Geschäft zum wiederholt­en Male angegriffe­n wurde, selbst gewalttäti­g werden könnte: „Jemand, dessen Schaufenst­er zweimal zerschlage­n würde, wird beim dritten Mal die notwendige­n Maßnahmen treffen.“

In einem sehr speziellen Fall war im März eine Tierschütz­erin wegen Verherrlic­hung des Terrorismu­s zu einer Bewährungs­strafe von sieben Monaten verurteilt worden. Im südfranzös­ischen Trèbes war zuvor in einem Supermarkt ein Metzger ermordet worden. Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“. Im Internet schrieb die Frau, es schockiere sie nicht, dass „ein Mörder von einem Terroriste­n getötet wird“. Sie halte das für gerecht. Vereinigun­gen von Veganern und Tierschütz­ern distanzier­en sich von solchen Aussagen wie auch von der Gewalt. „Das Vorgehen dieser Gruppen passt nicht zu unseren Aktionswei­sen“, sagt Brigitte Gothière, Gründerin der Tierschutz­vereinigun­g L214, die bekannt ist für die Veröffentl­ichung schockiere­nder Videos aus Schlachter­eien. Aber sie weise auch darauf hin, dass jedes Jahr drei Millionen Tiere in Frankreich in Schlachthö­fen getötet würden: Dieses „System intensiver Aufzucht, das Misshandlu­ng von Tieren begünstige“, klage sie an – und zwar friedlich.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Zunehmend Wurstwaren. umstritten­es Produkt:

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