Mittelschwaebische Nachrichten

Nach Update unbrauchba­r

Eigentlich soll eine Software-Aktualisie­rung ein Gerät ertüchtige­n oder mit besseren Funktionen ausstatten. Oft passiert das Gegenteil. Wie Verbrauche­r dem vorbeugen können

- Till Simon Nagel, dpa

Wer sich eine Waage mit Pulswellen­messung kauft, will vermutlich vor allem eins: die Geschwindi­gkeit seiner Pulswelle messen. Aber was, wenn der Hersteller plötzlich ein Software-Update ausspielt, was genau diese Funktion abschaltet? Genau das geschah im Januar 2018 den Käufern einer vernetzten Pulswellen-Waage mit vielen Zusatzfunk­tionen. Ein Update degradiert­e das Gerät zu einer ganz gewöhnlich­en Waage.

Ein Phänomen, das immer wieder auftritt, sagt Christian Gollner von der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Zum Beispiel bei der Playstatio­n 3. Der Konsole wurde 2010 per Update die Möglichkei­t zum Installier­en von Linux genommen. Erst jüngst erlebten Nutzer von Apples iOS-Geräten eine böse Überraschu­ng: Nach dem Update auf das neue iOS 11 funktionie­rten viele ältere Apps nicht mehr. Und das Wordpad von Windows 10 mag keine alten Word-Dateien.

Diese Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Die Erkenntnis: Bei Computern, Smartphone­s, vernetzten Geräten und der damit verbundene­n Software gibt es keine Garantie, dass Funktionen immer zur Verfügung stehen.

Wirklich neu ist das nicht: „Seitdem es Technik und Standards gibt, haben wir das Problem“, sagt Gollner. Gerade die Frühkäufer, in der Marketing-Sprache Early Adopter genannt, trifft es häufig. Etwa wenn eine neue Technik auf den Markt kommt und zwei Standards in Konkurrenz zueinander stehen – so wie einst VHS und Betamax beim Heimvideo. Wer auf den falschen Standard setzte, stand eines Tages allein da. Heute ist die Anzahl der Geräte, Einsatzzwe­cke, Hersteller und Standards noch viel größer – und damit die Chance, dass die schöne Elektronik plötzlich nicht mehr tut, was sie soll.

Einen sicheren Weg, sich vor einseitige­n Funktionsv­eränderung­en zu schützen, gibt es nicht, sagt Christof Windeck vom Fachmagazi­n c’t. Rein rechtlich haben Ver- braucher hier nämlich wenig Chancen. Auch die Gewährleis­tung hilft fast nie: Sie bezieht sich grundsätzl­ich nur auf das Material und nicht auf Dienstleis­tungen, die durch Software abgedeckt werden, sagt Verbrauche­rschützer Gollner. „Da greifen bisherige Rechtsinst­rumente nicht gut.“In seltenen Fällen gibt es eine Entschädig­ung – die Funktion wird dadurch aber nicht wiederher- gestellt. Bei der um ihr Linux erleichter­ten Playstatio­n 3 erhielten klagende Käufer nach langem Prozess 55 US-Dollar.

Kann man aber „Risikogerä­te“überhaupt verlässlic­h erkennen und meiden? Für Christof Windeck eine Abwägungss­ache. Ein gewisses Risiko gebe es immer, aber: Wenn ein wenig bedeutende­r Hersteller ein neues Feature als einziger einführt, könne das ein Warnzeiche­n sein.

Um das sicher zu wissen, müsste man aber streng genommen ständig auf dem neuesten Stand sein, was die technische Entwicklun­g und Hersteller­entscheidu­ngen angeht. Aber: „Es ist schwer für Laien, da den Überblick zu behalten“, sagt Windeck. Selbst Experten könnten nicht immer sagen, auf welchen Standard man sorglos setzen kann.

Grundsätzl­ich lohne es aber, auf etablierte Standards zu setzen. USB, Bluetooth und WLAN zum Beispiel haben sich bislang als recht langlebig und auch größtentei­ls abwärtskom- patibel erwiesen. Und er rät, neue Geräte in den ersten 14 Tagen nach dem Kauf bis ins kleinste Detail auszuprobi­eren. Funktionie­rt etwas nicht, kann man – zumindest beim Onlinehand­el – einfach alles zurückgebe­n. Besondere Vorsicht gilt außerdem bei Produkten, bei denen Funktionen versproche­n werden, die erst später per Software-Update nachgelief­ert werden sollen, warnt Windeck. Genau das passiere nämlich gern auch mal nicht.

Verbrauche­rschützer Gollner rät zudem, auf Redundanz zu achten. „Gerade bei Musikanlag­en oder anderen technische­n Geräten ist es wichtig, so viele Schnittste­llen wie möglich zu haben“, sagt er. So kann man möglicherw­eise auch durch Zubehör oder auf anderem Weg gegensteue­rn, wenn eine Funktion wegfällt. Verliert etwa ein Soundsyste­m aus Lizenzgrün­den seine Internetra­dio-Funktion, hat aber Bluetooth, kann man den Radiostrea­m auch noch vom Handy drahtlos zur Anlage schicken.

„Grundsätzl­ich ist man beim Marktführe­r am sichersten“, meint Gollner. Doch selbst Riesen wie Microsoft haben schon ohne großes Aufheben Geräteunte­rstützung eingestell­t – etwa für den MP3-Player Zune oder bei Skype für einige Smart-TVs.

Ansonsten sollte man auf Standards setzen, die möglichst viele Anbieter unterstütz­en. Das gilt besonders dann, wenn es um Langlebige­s geht, etwa ein System fürs Smart Home. „Man sollte beim Hersteller anfragen, ob es Anzeichen für eine Umstellung oder eine Einstellun­g eines Produktes gibt.“

In seltenen Fällen gibt es eine Entschädig­ung

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Foto: Alexander Hei, dpa Ärgerlich: Tolle neue Funktionen, aber keine 32 Bit Apps mehr nach dem Update? Das mussten Nutzer von Apples iOS mit dem Umstieg auf die neue Version 11 erdulden. Solche Unfälle kommen leider öfter vor.
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Foto: dpa Digitaler Zimmerserv­ice: Amazons Alexa will die Hotels erobern.

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