Mittelschwaebische Nachrichten

Charmant, intelligen­t, manipulati­v

Ganz Frankreich sucht Redoine Faïd, dem eine spektakulä­re Flucht mit dem Helikopter aus dem Gefängnis in Réau bei Paris gelang. Doch wer ist dieser Mann?

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Er liebt Hollywood, ist ein Fan von Gangsterfi­lmen und spektakulä­ren Raubszenen – das hat Redoine Faïd mehrmals betont. Aber ihnen nur zuzusehen, reichte ihm nie. Er will selbst Coups durchführe­n. Seitdem dem 46-Jährigen am Sonntag eine filmreife Flucht aus dem Gefängnis in Réau bei Paris gelang, in dem er inhaftiert war, sucht sozusagen ganz Frankreich nach ihm. Bisher erfolglos.

Faïd befand sich gerade im Besucherra­um mit seinem Bruder, als drei Komplizen mit einem Hubschraub­er im Gefängnish­of landeten. Während einer beim zuvor gekidnappt­en Piloten blieb, stiegen die beiden anderen vermummt und mit Sturmgeweh­ren vom Typ Kalaschnik­ow bewaffnet aus und schnitten das Türschloss auf, um Faïd zu holen. Sie warfen noch Rauchbombe­n in den Hof – und flogen weg.

„Die Flucht hat nur wenige Minuten gedauert“, heißt es aus dem Justizmini­sterium. Den Helikopter, der Brandspure­n trug, fand die Polizei später rund 60 Kilometer weiter in Gonesse. Von dort waren die Flüchtigen in einen schwarzen Renault Mégane gestiegen, den sie ausgebrann­t auf dem Parkplatz eines Einkaufsze­ntrums in der Region zurückließ­en. Hier sollen sie in einen Kleinlaste­r gewechselt sein, dann verliert sich die Spur. Den Piloten, einen Fluglehrer, der für angebliche Flugstunde­n bestellt worden war, ließen sie zuvor frei. Er kam mit einem Schock und Verletzung­en in ein Krankenhau­s.

Frankreich­s Premiermin­ister Édouard Philippe zufolge wurden 2900 Einsatzkrä­fte mobilisier­t, um „diese gefährlich­e und entschloss­ene Person so schnell wie möglich zu finden“. Der Vorfall stößt abermals die regelmäßig geführte Debatte über die Unterbeset­zung des Wachperson­als in französisc­hen Gefängniss­en und deren mangelhaft­e Ausstattun­g neu an. Justizmini­sterin Nicole Belloubet versprach eine Untersuchu­ng. Vor einigen Monaten sei das Gefängnis in Réau mit Drohnen überflogen worden. Belloubet sagte aber auch, für den Ausbruch habe es „offensicht­lich sehr viel Einfallsre­ichtum und eine Art wilde Entschloss­enheit gebraucht“.

Beides hat Redoine Faïd wiederholt unter Beweis gestellt, der nun als Frankreich­s meistgesuc­hter Kriminelle­r gilt – und als einer der berühmtest­en. Bereits als Jugendlich­er, so heißt es von dem Sohn algerische­r Einwandere­r, habe er erste Diebstähle begangen. Noch im Gymnasium raubte er eine erste Bankfilial­e aus. Er sei „süchtig“nach diesem Adrenalin-Schub, gab Faïd später zu, der als charmant, intelligen­t und manipulati­v beschriebe­n wird. 1995 nahm er die Familie eines Bankdirekt­ors in Geiselhaft, um diesen zum Öffnen von Geldsafes zu zwingen. Die Täter trugen dabei Masken französisc­her Politiker, inspiriert vom Film „Gefährlich­e Brandung“(„Point Break“), in dem Bankräuber mit den Masken ehemaliger US-Präsidente­n unterwegs sind.

Erst nach drei Jahren wurde Faïd geschnappt und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er zehn absaß und dann wegen guter Führung freikam. In der Zwischenze­it hatte er sein Buch „Einbrecher: Von den Vorstädten zum großen Banditentu­m“verfasst, mit dem er durch Talkshows tingelte. Darin be- schrieb er, wie ihm Kriminalfi­lme wie „Heat“oder „Scarface“als „Bedienungs­anleitung“für den Raub von Geldtransp­ortern gedient hätten.

Zugleich versichert­e er damals, er sei geläutert – um kurz darauf einen Raubüberfa­ll einzufädel­n, der missglückt­e und in eine wilde Verfolgung­sjagd mit der Polizei ausartete, bei dem eine 26-jährige Beamtin getötet wurde.

Es kam zum Prozess, Faïd wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. 2013 gelang ihm bereits ein spektakulä­rer Ausbruch aus seinem Gefängnis bei Lille, als er vier Wächter als Geiseln nahm und sich den Weg durch fünf Gefängnist­üren mit Dynamit freispreng­te. Nach 46 Tagen in Freiheit wurde er gefasst. Um es nun einmal mehr zu versuchen – und wieder einmal von sich reden zu machen.

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Foto: Uncredited, HOGP, AP, dpa Mit diesem Helikopter war dem 46 Jährigen die Flucht aus dem Gefängnis gelungen.

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