Mittelschwaebische Nachrichten

Der DFB hat eine Chance verpasst

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Joachim Löw hat entschiede­n: Er bleibt Bundestrai­ner – und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) lässt ihn bleiben. Das muss niemanden überrasche­n. Eine knappe Woche nach dem desaströse­n WM-Ausscheide­n hat sich der Ärger gelegt, haben die Menschen im Land wieder ihre innere Mitte gefunden. Der öffentlich­e und mediale Druck, aus dem Präsidente­n und Vorstände ihre Legitimati­on für Trainerent­lassungen nehmen, ist verpufft. Tatsächlic­h war er nie so groß, dass er der DFB-Spitze nur die eine Möglichkei­t des Rauswurfs gelassen hätte.

Stattdesse­n haben sich die Warmherzig­en zu Wort gemeldet und auf Löws Verdienste verwiesen. Die altmodisch­e Haltung, einen Spieler oder Trainer auch danach zu bewerten, was er geleistet hat, und nicht nur nach dem, was er zukünftig zu leisten in der Lage ist, hat im deutschen Fußball Tradition. Löw hat sie in seiner Treue zu Spielern wie Lukas Podolski selbst gepflegt. Der DFB ist stolz darauf, keinem seiner Bundestrai­ner je den Stuhl hart vor die Tür gestellt zu haben. Trennungen wie die von Jupp Derwall oder Berti Vogts erfolgten bilateral. Das läuft sympathisc­h gegen die kühlen Gesetze der Branche, führt aber auch in Sackgassen.

Der Mangel an Alternativ­en hat es Bierhoff & Co. zweifellos leichter gemacht, Löws Entscheidu­ng mitzutrage­n. Im Ergebnis hat der DFB damit einen Sicherheit­spass gespielt. Einen Pass, der ihm Zeit beschert, oder auch Zeit kostet – mit dem auf Dauer aber nichts zu gewinnen ist. Die Chance, die Nationalel­f umzubauen, ihr nicht nur ein „Die-Mannschaft-Etikett“aufzuklebe­n, ist fürs Erste dahin. Dabei haben die deutschen Auftritte in Russland vor allem eines gezeigt: das Unternehme­n hat sich in der aktuellen Aufstellun­g abgenutzt. Routine hat Hingabe und Leidenscha­ft erstickt.

So wie Traineramt Fortsetzun­g folgt, wird auch die Mannschaft ihr Gesicht behalten. Es ist noch nicht die Zeit für den großen Schnitt. Mögen einem Müller, Özil und Gomez müde erscheinen – wie schwer es ist, reife Klasse zu ersetzen, erlebt Joshua Kimmich als Nachfolger von Philipp Lahm. Demnach werden sich in der neuen Nations League gegen Frankreich am 6. September wieder dieselben Spieler um Jogi Löw versammeln – vereint in der Erinnerung an das WM-Desaster. Ein Szenario, das den 58-Jährigen schon bald zum ersten Bundestrai­ner werden lassen könnte, dem der DFB den Stuhl hart vor die Tür stellt.

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Foto: dpa Würzburger Straßenmal­erei: Der heilige Jogi.
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