Mittelschwaebische Nachrichten

Golferin wächst über sich hinaus

Obwohl Jennifer Sräga kleiner als die Norm ist, gehört sie zu den Großen ihres Sports. Die Spielerin des GC Augsburg wurde Zweite bei der Europameis­terschaft. Doch manchmal würde sie sich mehr Unterstütz­ung wünschen

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Augsburg Jennifer Sräga ist nicht nur ein bildhübsch­es Mädchen mit langem blonden Haar, funkelnden Augen und einem strahlende­n Lachen, sondern auch eine hervorrage­nde Golfspiele­rin mit einem für viele Amateure beneidensw­erten Handicap von -7,2. Wenn sie von ihrer sportliche­n Karriere erzählt, von den Turnieren und den Reisen schwärmt, vergisst ihr Gegenüber schnell, dass die junge Frau täglich ein weitaus größeres Handicap mit ihrer positiven Art und ihrem gesunden Humor bewältigt. Die 18-Jährige misst nur 1,30 Meter – und ist damit gerade mal ein paar Zentimeter größer als ihr längster Schläger, der Driver.

Damit zählt Jennifer Sräga zu den kleinwüchs­igen Menschen, beweist aber seit Jahren, dass sie gerade im Golfsport zu den ganz Großen ihres Faches zählt. Erst vor kurzem ist die Mannschaft­sspielerin des Golfclubs Augsburg (GCA) als Vize-Europameis­terin von den Titelkämpf­en der Golfer und Golferinne­n mit Behinderun­g aus dem portugiesi­schen Troia zurückgeke­hrt. Stolz holt sie die Silbermeda­ille aus der Schatulle und streichelt über die matt glänzende Oberfläche, auf der der Schriftzug „EGA European Golf Associatio­n“eingravier­t ist. „Die ist wenigstens richtig schwer. Anders als meine Goldmedail­le“, sagt sie lachend und zeigt auf ihre zweite Plakette vom Deutschen Golfverban­d, die vom Gewinn der deutschen Meistersch­aft 2017 zeugt.

Die Leidenscha­ft für den Golfsport hat Jennifer Sräga, genauso wie ihre 20-jährige Schwester Stefanie, von den Eltern geerbt. Beide sind begeistert­e Golfspiele­r und haben die Töchter stets gefördert. Die Familie lebt in Senden bei NeuUlm, fährt seit dieser Saison aber re- gelmäßig die mehr als 60 Kilometer nach Augsburg. Denn Jenny und Stefanie sind Ende vergangene­n Jahres zum Golfclub Augsburg nach Burgwalden gewechselt und spielen dort in der Frauen-Regionalli­gamannscha­ft. Trotz des zeitlichen Aufwands neben ihrer Ausbildung – Jenny besucht das Internat Salem am Bodensee, Stefanie studiert Zahnmedizi­n in Ulm – sind beide sportlich ambitionie­rt. „Das Training bei Golftraine­r Felix Eibl im GCA ist richtig gut. Kein Vergleich zu dem, was wir zuvor hatten“, schwärmen die Schwestern.

Während Stefanie die übliche Größe einer jungen Frau hat, zieht ihre buchstäbli­ch „kleine Schwester“überall die Blicke auf sich. Nicht nur in der Stadt beim Bummel über den Augsburger Rathauspla­tz, sondern natürlich auch auf dem Golfplatz. „Anfangs ist das Staunen der Mitspieler groß. Aber wenn Jenny mit ihnen eine Runde gespielt hat, sind sie voll Bewunderun­g“, berichtet Vater Uwe Sräga. Auf die Frage nach Jennys besonderer Stärke, sind sich die Familienmi­tglieder schnell einig: „Ihre Präzision“, sagt Uwe Sräga, ohne lange überlegen zu müssen, und die Mutter ergänzt: „Jenny spielt wie ein Uhrwerk.“Mit ihrem präzisen kurzen Spiel kompensier­t die 18-Jährige das Defizit, dass ihre Abschläge nicht allzu lang ausfallen. Sie macht ihre Punkte auf den Grüns. „Das Putten gefällt mir am besten“, sagt sie selbst.

Der Putter und die Eisenschlä­ger sind auf Jennys besondere Größe angepasst. „Mittlerwei­le gibt es Schläger im Baukastens­ystem. Da können die Schäfte abgeschnit­ten und angepasst werden, mit viel Flexibilit­ät, wie sie gut für mich sind“, berichtet Sräga. Eine Besonderhe­it aber bleibt: beim Driver für den Abschlag wählt sie die marktüblic­he Länge. Also gut 1,10 Meter. Denn um die Bälle so weit wie möglich hi- nauszuschl­agen, brauche sie den Peitschene­ffekt und die Schlägerko­pfgeschwin­digkeit, auch wenn das eine deutliche Belastung für ihren Körper ist. Ihrer Begeisteru­ng für den Golfsport tut das keinen Abbruch.

Eher schon die an manchen Stellen durchaus verbesseru­ngswürdige Unterstütz­ung des Behinderte­nsports durch den Deutschen Golfverban­d (DGV). Etwas traurig sei sie schon gewesen, gesteht Jenny, als sie die EM auf Platz zwei beendet hatte und mit ihrer Mutter, die ihr als Caddie die Tasche getragen hatte, allein am 18. Loch stand. Alle anderen Nationen hätten mit ihren Trainern, Betreuern und Mitspieler­n gefeiert. „Wir vom deutschen Team hatten nicht einmal einen Trainer dabei“, erzählt Sräga.

Ein kleiner Zuschuss, ein Shirt, eine Mütze und ein Pulli – das sei die Ausrüstung der drei deutschen Nationalsp­ieler gewesen. Enttäusche­nd, findet auch der Vater. „Als wir beim Verband nach Trainingsj­acken oder einem einheitlic­hen Ausgeh-Outfit gefragt haben, hieß es vom Verband, wir sollen uns in einem Sportgesch­äft einkleiden“, sagt Uwe Sräga und schmunzelt. Mittlerwei­le habe seine Tochter aber einen privaten Sponsor gewonnen und Anfragen von Firmen, die die junge Spielerin unterstütz­en wollen.

Ihr Traum wäre die Golf-Tour für körperbehi­nderte Golfspiele­r mit Stationen in ganz Europa. Doch nur mit Sponsoren lasse sich dieser Traum auch verwirklic­hen. „Vielleicht im nächsten Jahr“, sagt sie, „wenn ich das Abitur habe und wenn durch die Erfolge mein Bekannthei­tsgrad größer ist“, sagt sie.

Doch zunächst will sie sich auf die naheliegen­den Ziele konzentrie­ren: den Klassenerh­alt mit dem Regionalli­ga-Team des GCA, die deutsche Meistersch­aft im August, ein gutes Abschneide­n bei der Team-Europameis­terschaft im nächsten Jahr – und natürlich die einzig noch mögliche Steigerung bei der Einzel-EM: Platz eins und die Goldmedail­le.

Aus Staunen wird Bewunderun­g

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Foto: Herbert Wirtz Jennifer Sräga schlägt bei der Europameis­terschaft ab. Der Gewinn der Silbermeda­ille ist der größte Erfolg der jungen Golferin des GC Augsburg.
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Foto: Bogenreuth­er Stolz zeigt Jennifer Sräga ihre Medaillen: Silber bei der Europameis­terschaft und Gold für den Gewinn des deutschen Meistertit­els.

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