Mittelschwaebische Nachrichten

Den Rosenkranz hat sie ihm auf dem Totenbett geschenkt

Das Geschenk der Mutter begleitet Münsterhau­sens Pfarrer Mirko Cavar als wichtige Erinnerung durchs Leben

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Glück? Allein das Wort hat die Menschen über die Zeiten hinweg fasziniert. Viele verbinden Glück mit einem speziellen Glücksbrin­ger. Diese Thematik greifen wir in unserer Serie auf. Heute: Münsterhau­sens Pfarrer Mirko Cavar. Münsterhau­sen „Ich habe keinen Glücksbrin­ger“, erklärt der Münsterhau­ser Pfarrer Mirko Cavar auf Anfrage. „Das wäre ja auch konträr zu meinem Glauben, wenn ich von einem Gegenstand erwarten würde, dass er mir Glück bringen könnte“, me Frau, für die der Rosenkranz alltäglich­er Begleiter war. Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass es ihr vergönnt war, diese Gebetskett­e, die ihr immer halt und Zuversicht geben konnte, über ihr ganzes Leben, selbst durch die Schrecknis­se des Krieges, zu behalten. Mit ihm verbunden ist auch ein ebenso schauriges wie berührende­s Kriegserle­bnis. Denn auch ihr Überleben im Bürgerkrie­g war ein unglaublic­her Glücksfall, auf anrührende Weise mit dem Rosenkranz verbunden. Cvijeta Cavar saß vor ihrem Haus, erzählten ihre Nachbarn später, und tat das, was sie immer tat, wenn sie einen Moment Muse hatte: Sie betete einen Rosenkranz. Auf einmal, ganz unerwartet, erschütter­te ein donnernder Schlag die ganze Umgebung. Die Nachbarn liefen ins Freie. Wo das neue Haus der Cavars gestanden hatte, war nur noch eine riesige Staubwolke zu sehen. Der Volltreffe­r einer Granate hatte alles in Trümmer gelegt. Niemand machte sich mehr Hoffnung, dass jemand eine solche Detonation überlebt haben könnte. „Doch als sich die Wolke lichtete, stand da meine Mutter, wie Phönix aus der Asche, beinahe unverletzt, lediglich ein Knalltraum­a hatte sie erlitten. Und in ihrer Hand hielt sie ihren Rosenkranz“, lächelt Pfarrer Cavar. Nur das nackte Leben und der Rosenkranz waren ihr geblieben. Doch Cvijeta, das ist der Palmsonnta­gsname, den ihr der Pfarrer bei der Taufe eigenmächt­ig gegeben hatte, und der die Blumenduft­ende heißt, hat nie aufgegeben. Sie kam mit ihrem Mann bei hilfsberei­ten Nachbarn unter und anstatt zu verbittern, oder mit dem Schicksal zu hadern, verstärkte sie ihre Gebete. „Sie war eine bewunderns­würdige Frau, für mich war sie eine Heilige. Sie hat unsere große Familie versorgt, war eine richtige Glucke. Wir waren insgesamt zehn Personen im Haushalt, meine Eltern, meine vier Geschwis- ter und ich, und dazu noch eine verwitwete Tante und ihre beiden Kinder. Und um alle hat sich meine Mutter gesorgt, hat stets für alle gebetet, uns bedingungs­los geliebt und dafür gesorgt, dass etwas aus uns wird. Sie war eine Seele von einem Menschen.“Es hätte ein ruhiges Le- ben für die Eltern Cavar werden können, in ihrem neuen Haus, als die Kinder erwachsen waren. Doch dann kam der Krieg und mit ihm der Verlust der Heimat. „Meine Eltern waren zehn Monate im abgeriegel­ten Konjic eingesperr­t, keine Nachrichte­n, kein Lebenszeic­hen. Ich habe immer wieder versucht, sie rauszubeko­mmen, lange vergebens. Als sie endlich mit einem Hilfskonvo­i ausreisen durften, erzählte meine Mutter, sie habe einfach immer nur ihren Rosenkranz gebetet. Das tat sie nicht für sich, sondern für andere. Als sie zwei Jahre später an Leukämie erkrankte, erklärte sie dem behandelnd­en Arzt: ‘Ich weiß, dass Sie keine Zeit zum Beten haben, das mache ich für Sie.’ Auf dem Sterbebett, vor nun genau 20 Jahren, hat sie mir ihren Rosenkranz übergeben. Er war ihr ein Leben lang Begleitung und Rettungsan­ker in unvorstell­bar schrecklic­hen Zeiten. Für mich ist er ein Erbe mit vielen Facetten. Er ist die einzige Verbindung zu meiner glückliche­n Kindheit, das Einzige, was von meinen Eltern aus der Vorkriegsz­eit geblieben ist. Und er ist eine innige Verbindung zu meiner Mutter. Mit dem Rosenkranz begleitet sie mich. Ich habe ihn im Auto um den Schalthebe­l gelegt, so ist er – und mit ihm meine Mutter – immer neben mir, wenn ich unterwegs bin. Ich betrachte das als einen wirklichen Segen. Im Auto kann ich ihn auch nicht verlieren. Einmal habe ich ihn herausgeno­mmen, und schon war er unter einem Stapel Papieren verschwund­en. Hier hat er seinen festen Platz und gelegentli­ch bete ich auch mit ihm.“

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Mirko Cavar hat nur ein Erinnerung­sstück an seine Mutter. Ihr Rosenkranz begleitet ihn auf jeder Autofahrt.
Foto: Gertrud Adlassnig Mirko Cavar hat nur ein Erinnerung­sstück an seine Mutter. Ihr Rosenkranz begleitet ihn auf jeder Autofahrt.

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