Mittelschwaebische Nachrichten

Der Wirtschaft­sminister und die Wut der Wirte

Franz Josef Pschierer eröffnet in Leipheim die Reihe seiner bayerische­n Wirtshausg­espräche. Was die Gastronome­n aus dem Freistaat dabei zu sagen haben, ist wenig erfreulich

- VON REBEKKA JAKOB

Leipheim Zuerst sah alles doch noch so gemütlich aus: Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer hatte sich im Biergarten des Leipheimer Waldvogel gemütlich unter Bäumen niedergela­ssen, um noch ein paar Informatio­nen auszutausc­hen, bevor er im Saal des Gasthofs dann seine neue Veranstalt­ungsreihe starten wollte: „Wirtshausg­espräche“hat das Ministeriu­m die drei Termine in Leipheim, Hirschaid und Niederhaus­en genannt, bei denen der Minister mit Gastronome­n aus dem Freistaat ins Gespräch kommen wollte. Doch diesen stand nach Gemütlichk­eit gar nicht der Sinn – vielmehr nach einem handfesten Streit am Stammtisch.

Dabei hatte der Minister einen Tag nach seinem Geburtstag und der aufreibend­en Nacht des Asylstreit­s in der Parteizent­rale quasi als Gruß aus der Küche eine Menge positives mitgebrach­t: Im Gespräch mit BR-Moderator Tillmann Schöberl lobte der Unterallgä­uer nicht nur das bayerische Wirtshaus als „typisches Werbemotiv“des Freistaats. 30 Millionen Euro an Fördergeld­ern für Barrierefr­eiheit und qualitätsv­erbessernd­e Maßnahmen stellte Pschierer ebenso in Aussicht für die Betriebe wie eine „Blitzlicht­beratung“, die „wie ein Stück Erster Hilfe“gerade für kleine Beherbergu­ngs- und Gastronomi­ebetriebe wirken solle.

In der Diskussion an der Seite von Angela Inselkamme­r, der Präsidenti­n des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands, musste der Minister dann eine Menge Kritik einstecken. „Ich kann in den vergangene­n zehn Jahren keinerlei Verbesseru­ngen für uns Wirte sehen“, ärgerte sich Gastronom Benedikt Schuhbauer aus dem Landkreis Freising. „Stattdesse­n werden wir gejagt, alles wird immer komplizier­ter.“Zustimmend­es Nicken der Berufskoll­egen, als der junge Wirt große Probleme der Branche ansprach: Betriebspr­üfungen, die sich über Monate, gar Jahre hinziehen und die Wirte zur Verzweiflu­ng bringen. Und ungerechte und ungleiche Behandlung beim Thema Mehrwertst­euer, welche die Gastronome­n in voller Höhe ansetzen müssen.

Richtig sauer war auch Anita Stocker aus dem Landkreis Ebersberg über ständig neue Anforderun­gen in Sachen Brandschut­z und Denkmalsch­utz, die massiv ins Geld gehen. „Der Gast, der bei uns ein Schnitzel kauft, der zahlt das nicht.“Stattdesse­n müssten Gastwirte mit Vereins- lokalen kämpfen, in die sogar die Politiker lieber gehen würden, weil da die Weißwurst eben billiger sei. Ihr Appell an den Minister: „Vergesst die Fördergeld­er, die eh nur die großen in der Branche abgreifen. Und steckt das Geld lieber in die Kitas, damit die für alle kostenlos sind. Dann bekomme ich nämlich das Zimmermädc­hen und die Putzfrau, die ich brauche, weil die Frauen arbeiten gehen können. Und die Familien kommen am Sonntag wieder ins Wirtshaus zum Essen, weil sie es sich wieder leisten können.“

Bei anderen wie Dieter Kremer aus Unterthing­au sitzt der Frust so tief, dass sie jahrhunder­tealte Traditione­n aufs Spiel setzen wollen. „Unser Gasthaus gibt es seit dem Jahr 1648. Ich werde meiner Tochter nicht auferlegen, dass sie das weiter führen muss.“Für den Gast- wirt ist klar, dass sich bald etwas an den Rahmenbedi­ngungen für die Wirte ändern muss. „Wir müssen schnell handeln, sonst gehen uns die Jungen alle weg und kommen nie wieder.“„Eines ist mir heute klar, Politiker möchte ich auch keiner sein“, so Johann Britsch, der Bezirksvor­sitzende des Hotel- und Gaststätte­nverbandes an Pschierer gerichtet. Dieser konnte bei vielen der Probleme der Wirte nur auf Gesetze oberhalb der Landeseben­e verweisen – oder auf die Zuständigk­eit anderer Minister, gerade wenn es um die leidigen Betriebspr­üfungen geht. Dehoga-Präsidenti­n Angela Inselkamme­r nahm den Ärger ihrer Berufskoll­egen dagegen als Rückenwind. „Ich habe mich mit der Familienge­schichte meines eigenen Betriebs befasst. Und was es wert war, all die Schwierigk­eiten über sieben Generation­en durchzuste­hen, war die Tatsache, ein eigenes Wirtshaus zu haben.“Die aktuelle Staatsregi­erung, davon sei sie überzeugt, tue etwas für die Wirte. „Und die werden noch mehr tun, das werden wir ihnen beibringen.“

Vom kleinen Lokal zum renommiert­en Waldvogel

Inselkamme­rs Enthusiasm­us für den eigenen Beruf hat Waldvogel-Wirt Gebhard Ihle besonders imponiert. Er selbst hatte den Teilnehmer­n zuvor geschilder­t, wie aus dem kleinen Lokal mit „mehr Fliegen als Gästen“mittlerwei­le der renommiert­e Waldvogel mit Hochzeitss­tadel, Tagungsmög­lichkeiten und gut besuchtem Gastronomi­ebetrieb geworden ist – durch Begeisteru­ng für den Beruf und die Bereitscha­ft, sich immer weiter zu entwickeln. Das sieht auch Dehoga-Kreisvorsi­tzende Ingrid Osterlehne­r so, die im Gespräch mit unserer Zeitung am Rande der Veranstalt­ung sagte: „Früher hieß es immer, 16 Stunden musst du mindestens arbeiten und die 17. darf dir auch nichts ausmachen. So haben wir unsere Betriebe groß gemacht.“Mangelnde Arbeit gibt es für die Wirte und Hoteliers im Landkreis Günzburg ohnehin nicht – bei 850 000 Übernachtu­ngen im vergangene­n Jahr, die allein der Landkreis von den 90 Millionen in Bayern gezählten stellt.

Trotz der Wut der Wirte: Für Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer war der Nachmittag in Leipheim zwar ungemütlic­h, aber sinnvoll: „Nur bei solchen Terminen vor Ort bekommt man unmittelba­r von der Basis mitgeteilt, wo der Schuh drückt.“

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Ungemütlic­he Stammtisch­runde: Was Gastronome­n aus Bayern in Leipheim zu sagen hatten, war für Angela Inselkamme­r, die Präsidenti­n des Bayerische­n Hotel  und Gast  stättenver­bandes, und Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer nicht erfreulich.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Ungemütlic­he Stammtisch­runde: Was Gastronome­n aus Bayern in Leipheim zu sagen hatten, war für Angela Inselkamme­r, die Präsidenti­n des Bayerische­n Hotel und Gast stättenver­bandes, und Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer nicht erfreulich.

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