Mittelschwaebische Nachrichten
Der Wirtschaftsminister und die Wut der Wirte
Franz Josef Pschierer eröffnet in Leipheim die Reihe seiner bayerischen Wirtshausgespräche. Was die Gastronomen aus dem Freistaat dabei zu sagen haben, ist wenig erfreulich
Leipheim Zuerst sah alles doch noch so gemütlich aus: Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer hatte sich im Biergarten des Leipheimer Waldvogel gemütlich unter Bäumen niedergelassen, um noch ein paar Informationen auszutauschen, bevor er im Saal des Gasthofs dann seine neue Veranstaltungsreihe starten wollte: „Wirtshausgespräche“hat das Ministerium die drei Termine in Leipheim, Hirschaid und Niederhausen genannt, bei denen der Minister mit Gastronomen aus dem Freistaat ins Gespräch kommen wollte. Doch diesen stand nach Gemütlichkeit gar nicht der Sinn – vielmehr nach einem handfesten Streit am Stammtisch.
Dabei hatte der Minister einen Tag nach seinem Geburtstag und der aufreibenden Nacht des Asylstreits in der Parteizentrale quasi als Gruß aus der Küche eine Menge positives mitgebracht: Im Gespräch mit BR-Moderator Tillmann Schöberl lobte der Unterallgäuer nicht nur das bayerische Wirtshaus als „typisches Werbemotiv“des Freistaats. 30 Millionen Euro an Fördergeldern für Barrierefreiheit und qualitätsverbessernde Maßnahmen stellte Pschierer ebenso in Aussicht für die Betriebe wie eine „Blitzlichtberatung“, die „wie ein Stück Erster Hilfe“gerade für kleine Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe wirken solle.
In der Diskussion an der Seite von Angela Inselkammer, der Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, musste der Minister dann eine Menge Kritik einstecken. „Ich kann in den vergangenen zehn Jahren keinerlei Verbesserungen für uns Wirte sehen“, ärgerte sich Gastronom Benedikt Schuhbauer aus dem Landkreis Freising. „Stattdessen werden wir gejagt, alles wird immer komplizierter.“Zustimmendes Nicken der Berufskollegen, als der junge Wirt große Probleme der Branche ansprach: Betriebsprüfungen, die sich über Monate, gar Jahre hinziehen und die Wirte zur Verzweiflung bringen. Und ungerechte und ungleiche Behandlung beim Thema Mehrwertsteuer, welche die Gastronomen in voller Höhe ansetzen müssen.
Richtig sauer war auch Anita Stocker aus dem Landkreis Ebersberg über ständig neue Anforderungen in Sachen Brandschutz und Denkmalschutz, die massiv ins Geld gehen. „Der Gast, der bei uns ein Schnitzel kauft, der zahlt das nicht.“Stattdessen müssten Gastwirte mit Vereins- lokalen kämpfen, in die sogar die Politiker lieber gehen würden, weil da die Weißwurst eben billiger sei. Ihr Appell an den Minister: „Vergesst die Fördergelder, die eh nur die großen in der Branche abgreifen. Und steckt das Geld lieber in die Kitas, damit die für alle kostenlos sind. Dann bekomme ich nämlich das Zimmermädchen und die Putzfrau, die ich brauche, weil die Frauen arbeiten gehen können. Und die Familien kommen am Sonntag wieder ins Wirtshaus zum Essen, weil sie es sich wieder leisten können.“
Bei anderen wie Dieter Kremer aus Unterthingau sitzt der Frust so tief, dass sie jahrhundertealte Traditionen aufs Spiel setzen wollen. „Unser Gasthaus gibt es seit dem Jahr 1648. Ich werde meiner Tochter nicht auferlegen, dass sie das weiter führen muss.“Für den Gast- wirt ist klar, dass sich bald etwas an den Rahmenbedingungen für die Wirte ändern muss. „Wir müssen schnell handeln, sonst gehen uns die Jungen alle weg und kommen nie wieder.“„Eines ist mir heute klar, Politiker möchte ich auch keiner sein“, so Johann Britsch, der Bezirksvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes an Pschierer gerichtet. Dieser konnte bei vielen der Probleme der Wirte nur auf Gesetze oberhalb der Landesebene verweisen – oder auf die Zuständigkeit anderer Minister, gerade wenn es um die leidigen Betriebsprüfungen geht. Dehoga-Präsidentin Angela Inselkammer nahm den Ärger ihrer Berufskollegen dagegen als Rückenwind. „Ich habe mich mit der Familiengeschichte meines eigenen Betriebs befasst. Und was es wert war, all die Schwierigkeiten über sieben Generationen durchzustehen, war die Tatsache, ein eigenes Wirtshaus zu haben.“Die aktuelle Staatsregierung, davon sei sie überzeugt, tue etwas für die Wirte. „Und die werden noch mehr tun, das werden wir ihnen beibringen.“
Vom kleinen Lokal zum renommierten Waldvogel
Inselkammers Enthusiasmus für den eigenen Beruf hat Waldvogel-Wirt Gebhard Ihle besonders imponiert. Er selbst hatte den Teilnehmern zuvor geschildert, wie aus dem kleinen Lokal mit „mehr Fliegen als Gästen“mittlerweile der renommierte Waldvogel mit Hochzeitsstadel, Tagungsmöglichkeiten und gut besuchtem Gastronomiebetrieb geworden ist – durch Begeisterung für den Beruf und die Bereitschaft, sich immer weiter zu entwickeln. Das sieht auch Dehoga-Kreisvorsitzende Ingrid Osterlehner so, die im Gespräch mit unserer Zeitung am Rande der Veranstaltung sagte: „Früher hieß es immer, 16 Stunden musst du mindestens arbeiten und die 17. darf dir auch nichts ausmachen. So haben wir unsere Betriebe groß gemacht.“Mangelnde Arbeit gibt es für die Wirte und Hoteliers im Landkreis Günzburg ohnehin nicht – bei 850 000 Übernachtungen im vergangenen Jahr, die allein der Landkreis von den 90 Millionen in Bayern gezählten stellt.
Trotz der Wut der Wirte: Für Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer war der Nachmittag in Leipheim zwar ungemütlich, aber sinnvoll: „Nur bei solchen Terminen vor Ort bekommt man unmittelbar von der Basis mitgeteilt, wo der Schuh drückt.“