Mittelschwaebische Nachrichten

Der Fluss wird sich ändern – nur wie? Feierabend­kreis feiert 35 jähriges Bestehen

Baden-Württember­g und Bayern machen ernst in Sachen „Agile Iller“. Zugleich liegt eine Klage gegen den Bau eines Kleinkraft­werks der Firma Fontin vor

- VON REGINA LANGHANS

Illertisse­n Wie die Iller der Zukunft aussieht, ist ungewiss. Zumal die Vorstellun­gen der Interessen­sgruppen unvereinba­r scheinen. Naturschüt­zer blicken erwartungs­voll den Renaturier­ungsplänen der Wasserwirt­schaftsämt­er in Donauwörth und Tübingen entgegen, die immer konkreter werden. Ihnen gegenüber steht die Firma Fontin mit Plänen für Kleinkraft­werke direkt in der Iller. Ein erstes Bauwerk zwischen Illertisse­n und Dietenheim ist bereits genehmigt worden. Gegen den Bau klagt jedoch, wie berichtet, der Bund Naturschut­z.

Um die Naturfreun­de über die aktuellen Entwicklun­gen zu informiere­n, hat Bernd Kurus-Nägele, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Senden, kürzlich ein Treffen veranstalt­et. Während es noch keinen Termin für den Prozess vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n gebe, wo die Klage wegen Mängel im Gutachten verhandelt werden soll, könnte nächstes Jahr mit Maßnahmen an der Iller nahe Heimerting­en begonnen werden.

Peter Faigle vom „Landesbetr­ieb Gewässer“im Regierungs­präsidium Tübingen stellte anhand eines Planes die 20 Maßnahmen vor, die innerhalb von zehn Jahren rund um Illertisse­n geplant sind, vor. Bei dreien sind die Vorstellun­gen bereits konkreter. Am weitesten ausgearbei­tet sei jenes Vorhaben nahe Heimerting­en, wofür schon das Planfestst­ellungsver­fahren laufe.

Die Iller soll durch einen kleinen Seitenarm ausgeweite­t und der dazwischen liegende Grund tiefer gelegt werden. Bei Hochwasser soll es so regelmäßig zu Überflutun­gen kommen. Profitiere­n würden die Natur, der Grundwasse­rspiegel und der Hochwasser­schutz. Zudem könnten Fische, die sonst von der reißenden Flut abgetriebe­n werden, dorthin ausweichen.

Als Nächstes soll die Iller zwischen Vöhringen und Senden ausge- weitet werden, wobei in das verbreiter­te Flussbett große Steine – offenes Deckwerk genannt – gelegt werden. Dabei würden die unterschie­dlichen Anforderun­gen berücksich­tigt, die den Hochwasser­schutz und einen niedrigen Grundwasse­rspiegel betreffen, so der Referent. Die Pläne sollen im Herbst eingereich­t werden.

Des Weiteren soll die Staustufe bei Au mit einer sogenannte­n Sohlgleite ausgestatt­et werden. Dadurch sollen auch Fische die Staustufe überwinden können. Zugleich könnte die Iller Kies, sogenannte­s Geschiebe, weiterbefö­rdern.

Insgesamt seien auf 60 Kilometern Illerlauf 59 Renaturier­ungsmaßnah­men angedacht. Dafür wur- den ganze 70 Millionen Euro veranschla­gt, so der Referent. 50 Eingriffe würde das Land Baden-Württember­g beziehungs­weise Bayern übernehmen. Für neun hätten sich Kraftwerks­besitzer bereit erklärt. Dass die Länder an einem Strang ziehen, wurde im November 2017 in einem Staatsvert­rag festgelegt.

Faigle zeigte zwei Aufnahmen der Iller: Einmal das Bild eines schnurgera­den, tief eingegrabe­nen Flusses zwischen verbauten unzugängli­chen Ufern, wie er südlich von Illertisse­n zu finden ist. Dann ein Foto der Iller bei Vöhringen – mit breitem Flussbett, Kiesbänken und flachen Ufern. Faigle spricht von einer „Wasserauto­bahn“, die sich immer tiefer in die Sohle grabe und diese zerstöre. Querbauten oder Staustufen – die älteste in der Iller stammt aus dem Jahr 1904 – sollten ein weiteres Absinken des Grundwasse­rspiegels verhindern. „Wir wünschen uns die Iller von 1999, was den Grundwasse­rspiegel betrifft“, sagte KurusNägel­e. Die lasse sich jedoch nicht mehr zurückhole­n, unter anderem wegen der Grundbesit­ze, die bis an die Ufer reichen.

Auch bei jenen Maßnahmen zum Zwecke der „agilen Iller“, die auf den 60 Flusskilom­etern als durchführb­ar gelten, bleiben Fragen offen. Einige davon wurden von den rund 50 Anwesenden gestellt. Etwa, inwieweit abgeholzte­r Wald Ausgleichs­maßnahmen erfordere. Sofern wieder Auwald nachwachse, müsse nichts ausgeglich­en werden, hieß es. Eine andere Sorge galt der Mindestwas­sermenge. Den Kanälen, die ihr eigenes Ökosystem entwickelt hätten, könne nicht einfach Wasser entzogen werden.

Nicht zuletzt wegen unterschie­dlicher Auffassung­en über die „Mindestwas­sermenge“steht der bereits genehmigte Bau zwischen Dietenheim und Illertisse­n – einem ersten von mehreren Kleinkraft­werken – in der Kritik. Noch hoffen die Naturschüt­zer, mit ihrer Klage durchzukom­men. Denn, wie berichtet, würden Kleinkraft­werke direkt in den Staustufen der Iller die weitergrei­fenden Renaturier­ungspläne der Länder Bayern und Baden-Württember­g zunichtema­chen. Der Feierabend­kreis Kirchhasla­ch feiert am Montag 11. Juli, ab 14 Uhr eine Dankmesse anlässlich seines 35-jährigen Bestehens. Treffpunkt ist die „Herrgotts Ruh“-Kapelle in Herretshof­en. Das teilen die Veranstalt­er mit.

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Fotos: Regina Langhans Die Iller, von der Brücke in Illertisse­n aus gesehen, zeigt sich als ein zwischen hohe Ufer eingezwäng­tes Gewässer.
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Ein Blick von der Brücke in Vöhringen auf die renaturier­te Iller, die zugänglich­e Ufer und Kiesbänke hat, auf denen sich Badegäste tummeln.

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