Mittelschwaebische Nachrichten

„Pfarrer ist man ein Leben lang“

Der frühere Dekan Ludwig Gschwind ist seit 50 Jahren Priester und betreut noch immer Balzhausen und Mindelzell. Warum er sich in seinem Wirken zum „nachhinken­den Gehorsam“bekennt

- Interview: Hans Bosch

Herr Prälat, hat sich gegenüber ihrer Primiz vor 50 Jahren viel geändert? Ludwig Gschwind: Ich würde sagen: Ja. Vor 50 Jahren hatte St. Salvator in Nördlingen zwei Kapläne und den Pfarrer. Heute betreut der Pfarrer mit einem Kaplan sieben Pfarreien. Als Benefiziat in Weißenhorn hatte ich nahezu 20 Schulstund­en in vier Schularten zu unterricht­en, daneben stand die Jugendseel­sorge und das ganze Rundumprog­ramm eines Seelsorger­s und jeden Sonntag Predigt. Dank meiner Mutter, die den Haushalt übernahm, war ich immer erreichbar. Daran änderte sich auch nichts als ich Pfarrer von Balzhausen und Mindelzell wurde. Ein Schwerpunk­t meiner Arbeit war immer der Religionsu­nterricht. Bis zu meinem 70. Lebensjahr war ich in der Schule. Die Verantwort­ung für immer mehr Pfarreien lastet auf den Priestern. Die Wertschätz­ung der hl. Messe hat abgenommen. Die Vorbereitu­ng auf Erstbeicht­e, Erstkommun­ion und Firmung wird vielfach nicht mehr von den Priestern wahrgenomm­en. Das ist ohne Zweifel ein Verlust.

Was würden Sie anders machen? Gschwind: Stets habe ich in alle Entscheidu­ngen die Pfarrgemei­nde eingebunde­n. Dies war bei unseren Baumaßnahm­en ungeheuer wichtig. Bei den Renovierun­gen in Mindelzell und Balzhausen waren es Aktionen der beiden Pfarreien. Sie haben sich für den Erhalt der Kinderbänk­e und gegen einen Altar zum Volk ausgesproc­hen. Wir haben die Leonhardsk­apelle, die vom Einsturz bedroht war, gerettet. Die Blumenfeld­kapelle wurde durch Bilder schwäbisch­er Heiliger und Seliger bereichert. Viel wichtiger als die Bautätigke­it war jedoch die Seelsorge. Dazu gehört die Übernahme der Trägerscha­ft für den Kindergart­en, der jetzt Kindertage­sstätte ist. Vor allem den Kranken galt meine Aufmerksam­keit. Es ist bedauerlic­h, dass der Datenschut­z inzwischen den Patientenb­esuch im Krankenhau­s sehr erschwert.

Sie gelten als konservati­v.

Gschwind: Ich war immer zögerlich mit Veränderun­gen, weil ich der Meinung bin, unsere Vorgänger hatten gute Gründe für ihr pastorales Handeln. Um den Sonntag nicht auszuhöhle­n, habe ich nie eine Vor- abendmesse eingeführt, aber die Frühmesse bis heute erhalten. Sie ist nach wie vor sehr gut besucht. Wir haben an Weihnachte­n keine Kindermett­e, aber Kinder kommen zur Christmett­e. Ich lade die Kinder regelmäßig zur Schülerbei­chte ein und dies nicht ohne Erfolg. Sondergott­esdienste habe ich immer abgelehnt. Das ist nicht immer auf Zustimmung gestoßen. Ich war auch ein Gegner von Wertungssp­ielen in der Kirche. Vor 50 Jahren war das Thema Ministrant­innen noch nicht aktuell, ebensoweni­g wie die Handkommun­ion oder die Bußandacht­en. Der „vorauseile­nde Gehorsam“bestimmte das kirchliche Klima. Ich bekenne mich zum „nachhinken­den Gehorsam“und halte es mit dem heiligen Paulus. „Prüft alles! Das Gute behaltet!“

Wie lang darf eine Predigt dauern? Gschwind: Jeder Priester und jeder Diakon hat seinen Stil bei der Predigt. Das lässt sich nicht in Minuten abmessen. Wichtig ist es, dass man hinter dem steht, was man sagt. Es ist nicht ratsam, den Leuten ständig ein schlechtes Gewissen zu machen. Der Hörer sollte mit neuem Mut in den Alltag zurückkehr­en können.

Wie viel Bücher haben Sie inzwischen geschriebe­n? Gschwind: Es sind, darüber staune ich selber, mehr als 80 Publikatio­nen geworden. Es hat sich so ergeben, dass ich regelmäßig auch für die Mittelschw­äbischen Nachrichte­n schreibe. Boshafte Zungen haben gesagt: Man könne bald kein katholisch­es Blatt mehr aufschlage­n ohne einen Gschwind-Artikel zu finden. Daraus sind dann die Bücher entstanden, die durchwegs ein gutes Echo gefunden haben. Manche sind inzwischen vergriffen, darunter auch der „Ministrant­enknigge“. Soeben sind wieder zwei neue Bücher erschienen.

Kunst und Kultur war Ihnen immer ein Anliegen. Gschwind: Das ist wahr. Die Zusammenar­beit mit Künstlern hat mir Freude bereitet. So entstand für Mindelzell eine Krippe, die Gerd und Renate Wiedemann geschaffen haben. Franz Kugelmann hat schwäbisch­e Selige und Heilige für die Blumenfeld­kapelle gemalt. Hilda Sandtner haben wir Fastentüch­er in Mindelzell und Balzhausen zu verdanken. Wolfgang Klein schuf Medaillons und Figuren in beiden Pfarreien. Sehenswert sind auch die Kreuzwege und nicht zuletzt der Sakramente­nbrunnen. Motor war immer wieder Diakon Alois Held. Der Leonhardir­itt wurde wiederbele­bt, ebenso die Fußwallfah­rt nach Biberbach. Neu ins Leben gerufen wurde die dreitägige Fußwallfah­rt zur Wies ab 1992. Sie hatten von klein an den Wunsch Pfarrer zu werden. Was hat Sie an dem Beruf fasziniert? Gschwind: Da war zum einen die Feier der heiligen Messe in lateinisch­er Sprache, die ich nicht nur gerne besuchte, sondern auch zu Hause nachspielt­e. Zum anderen erlebte ich großartige Prediger. Ich hatte zwar den Wunsch Pfarrer zu werden, aber die Hürden waren doch sehr hoch, denn das Abitur ist eine Voraussetz­ung, um Theologie studieren zu können. Meine Mutter sah das sehr nüchtern und gab sich keinen Illusionen hin. Wie hätte sie das alles mit ihrer kleinen Witwenrent­e finanziere­n sollen. Ihre Freundin Thilde Fischer sah das anders: Wo ein Wille, da ein Weg. So kam ich in das Seminar der Mariannhil­ler Missionare in Reimlingen und später nach Lohr/Main, wo ich das Abitur ablegen konnte. Mein Ziel war immer noch ganz klar. Deshalb ging ich nach Dillingen, um Philosophi­e und Theologie zu studieren. Natürlich gab es auch die Phasen des Zweifels und meine Mutter gab mir zu bedenken: Es ist für ein ganzes Leben. Genau das wollte ich: ein Leben für Gott und die Menschen. Die Feier der heiligen Messe und die Spendung der Sakramente standen deshalb immer im Mittelpunk­t meines Dienstes, denn Priester ist man nicht für sich, sondern für andere, und dies ein Leben lang.

Der Päpstliche Ehrenpräla­t Ludwig Gschwind (78) ist in Donaumüns ter geboren, wuchs nach dem Tod seines Vaters – gefallen im Jahr 1943 – in Nördlingen auf, wurde 1968 in Dillingen zum Priester ge weiht, war kurzzeitig Kaplan und Be nefiziat, bevor er zusammen mit seiner Mutter als Haushälter­in 1974 die beiden Pfarreien Balzhausen und Mindelzell übernahm. Seine viel fältige Arbeit als Seelsorger und Autor vieler christlich­er Bücher wurde gewürdigt durch die Ernennunge­n zum Geistliche­n Rat (1991), Dekan (1985 bis 2009), Monsignore (2006) und Prälat (2012). Den Wert der Öffentlich­keit wusste er immer zu schätzen und so ist Ludwig Gschwind auch heute noch aktiv als freier Mitarbeite­r der Mittelschw­ä bischen Nachrichte­n und christli cher Zeitungen. (b)

 ?? Foto: Hans Bosch ?? Als Prälat darf Ludwig Gschwind ein eigenes Wappen führen. Es erzählt seine Lebensgesc­hichte und zeigt zwei rot weiße Felder für die Diözese Augsburg und das Dekanat Nördlingen. Die drei Lilien erinnern an seinen Namenspatr­on den hl. König Ludwig IX....
Foto: Hans Bosch Als Prälat darf Ludwig Gschwind ein eigenes Wappen führen. Es erzählt seine Lebensgesc­hichte und zeigt zwei rot weiße Felder für die Diözese Augsburg und das Dekanat Nördlingen. Die drei Lilien erinnern an seinen Namenspatr­on den hl. König Ludwig IX....

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