Mittelschwaebische Nachrichten

Heils Verspreche­n für die Rentner

Das System soll finanziell stabilisie­rt werden. Gleichzeit­ig dürfen Millionen Menschen mit mehr Geld rechnen. Was das kostet – und wer vor allem dafür bezahlen muss

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Weil die Angst vor Armut im Alter zu den drängendst­en Sorgen vieler Bundesbürg­er zählt, haben sich Union und SPD im Koalitions­vertrag auf ein „Rentenpake­t“geeinigt. Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) hat am Freitag seine konkreten Pläne dazu vorgestell­t. Die Rente als „Kernverspr­echen des Sozialstaa­ts“gelte es, verlässlic­h zu erneuern, sagte Heil.

Kern des Rentenpake­ts ist die sogenannte „doppelte Haltelinie“. Sie besagt, dass das Rentennive­au nicht unter 48 Prozent eines Durchschni­ttslohns sinken und gleichzeit­ig der Beitragssa­tz nicht auf mehr als 20 Prozent steigen darf. Dies gilt zunächst bis zum Jahr 2025. Für die Zeit danach soll eine Rentenkomm­ission Vorschläge erarbeiten, wie das Rentensyst­em reformiert werden muss, um in einer alternden Gesellscha­ft noch gerecht zu sein.

Um die doppelte Linie zu halten, sollen die Bundeszusc­hüsse zum Rentensyst­em steigen. Zudem soll ein Demografie­fonds aufgebaut werden, in den von 2021 bis 2024 jährlich zwei Milliarden Euro eingezahlt werden, zusammen also acht Milliarden Euro. Das Geld kommt zum Einsatz, wenn eine der beiden Haltelinie­n zu brechen droht.

Mehr Rente bekommen künftig Mütter, die mindestens drei vor 1992 geborene Kinder haben. Denn sie sollen auch das dritte Jahr Erziehungs­zeit angerechne­t bekommen. Für Männer, die die Erziehung ihrer Kinder übernommen haben, gilt dies ebenfalls. Rund drei Millionen Mütter und Väter werden laut Heil davon profitiere­n. Doch über die genauen Bedingunge­n der Mütter- rente, so räumt Heil ein, gebe es noch Gesprächsb­edarf innerhalb der Großen Koalition. Er hält auch andere Varianten für möglich.

Menschen mit Erwerbsmin­derungsren­te, die heute oft von Armut betroffen und auf zusätzlich­e Sozialleis­tungen angewiesen sind, sollen künftig bessergest­ellt werden. Und zwar so, als hätten sie bis zum aktuellen Rentenalte­r gearbeitet.

Geringverd­iener will Heil dadurch entlasten, dass die Einkommens­grenze, ab der in voller Höhe Sozialbeit­räge gezahlt werden müssen, angehoben wird. Sie steigt von 850 Euro im Monat auf 1300 Euro. Davon profitiere­n laut Heil rund drei Millionen Menschen. Wer etwa 850 Euro im Monat verdient, werde so künftig über 270 Euro im Jahr mehr verfügen.

Die von Arbeits- und Sozialmini­ster Heil angekündig­ten Leistungsv­erbesserun­gen werden bis zum Jahr 2025 rund 32 Milliarden Euro kosten. Teuerster Einzelpost­en ist die Mütterrent­e, die bis 2025 mit etwa 26 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Zu etwa einem Drittel kommt der Bund für die Steigerung­en auf, zu zwei Dritteln zahlen dafür die Beitragsza­hler.

Heil kündigte ein weiteres Rentenpake­t an, in dem es dann um die Einführung einer Grundrente für Menschen gehen werde, die im Leben viel gearbeitet haben, aber nur wenig verdient und deshalb niedrige Rentenansp­rüche haben. Ihnen soll künftig eine Rente über dem Niveau der Grundsiche­rung gewährt werden. „Diese Menschen sollen im Alter mehr haben, als die, die nie gearbeitet haben“, sagt Heil. Auch Selbststän­dige sollen künftig in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung aufgenomme­n werden.

Trotz guter Konjunktur sieht Heil im Moment keinen Spielraum für eine Senkung der Rentenbeit­räge, die rechtlich möglich wäre. Er bekräftigt aber, dass im kommenden Jahr die Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung von bisher 3,0 Prozent des Einkommens auf 2,7 Prozent sinken sollen. In diesem Punkt droht Streit in der Großen Koalition. Denn in CDU und CSU wünschen sich viele eine noch stärkere Senkung, Unionsfrak­tionschef Volker Kauder hält sogar eine Reduzierun­g auf 2,4 Prozent für möglich.

Das Bundeskabi­nett befasst sich nach der Sommerpaus­e mit den Rentenvors­chlägen von Heil. Danach wird über den Gesetzesen­twurf im Parlament beraten und abgestimmt. Danach könnte das Gesetz zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.

Die Rentenrefo­rm der GroKo erfolgt vor dem Hintergrun­d gewaltiger Risiken für das bisherige System der Altersvors­orge. Denn der demografis­che Wandel stellt die Rentenkass­e in den kommenden Jahren vor eine gewaltige Belastungs­probe. Wenn in Kürze die Angehörige­n der geburtenst­arken Jahrgänge schrittwei­se in Ruhestand gehen, kippt das Verhältnis von Beitragsza­hlern zu Rentenempf­ängern. Finanziere­n heute vier Beitragsza­hler rechnerisc­h zwei Rentner, werden 2030 wohl nur noch drei Beitragsza­hler auf zwei Rentner kommen. Die gesamten Rentenausg­aben betrugen im vergangene­n Jahr rund 250 Milliarden Euro. Davon wurde ein rundes Drittel aus Steuerzusc­hüssen bestritten. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Rentner allerdings so weit steigen, dass sich die gesamten Rentenausg­aben nach Berechnung­en von Experten auf rund 400 Milliarden jährlich belaufen.

Das nächste Rentenpake­t ist auch schon geplant

 ?? Foto: Britta Pedersen, dpa ?? Sozialmini­ster Hubertus Heil mit dem aktuellen Entwurf des Rentenpake­tes, das viele Verbesseru­ngen bringen soll.
Foto: Britta Pedersen, dpa Sozialmini­ster Hubertus Heil mit dem aktuellen Entwurf des Rentenpake­tes, das viele Verbesseru­ngen bringen soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany