Mittelschwaebische Nachrichten

Was von der WM übrig bleibt

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Noch zwei Tage, und das Leben kehrt vollends in seine alten Bahnen zurück. Dann ist dieser wunderbare Rhythmus aus Nachmittag­sund Abendspiel­en, in deren Zwischenrä­ume ein wenig Körperpfle­ge, Nahrungsau­fnahme und soziale Kommunikat­ion geschoben war, endgültig gestorben. Vorbei die WM, die dem Leben Struktur gegeben hat – auch wenn Hund und Garten darunter leiden mussten. Dabei ist es nicht lange her, dass große Teil der Menschheit sehnlichst auf den ersten Anpfiff gewartet haben. Noch im alten Jahr die Tage herunterge­zählt haben. 28-mal schlafen bis Weihnachte­n, 201-mal bis zur WM.

Alles war auf den Tag ausgericht­et. Er kam – bald darauf ging die deutsche Mannschaft. Der Schmerz darüber hielt sich in Grenzen. Keine Tränen, keine Fahnen auf halbmast, kein Trauerflor beim Bäcker. War ja auch kaum zu ertragen gewesen, was Jogis Auswahl in Russland abgeliefer­t hatte. Und schon gar nicht die Leidenscha­ft wert, mit der das Land seine Weltmeiste­r begleitet hatte. Die WM ging trotzdem weiter. Sie hat auch ohne Deutschlan­d Spaß bereitet.

Was bleibt? Die Erkenntnis, dass der Ballbesitz­fußball spanischer und deutscher Prägung abgewirtsc­haftet hat. Nicht, wer den Ball lange kreuz und quer schiebt, geht als Sieger vom Platz, sondern wer kühl das eigene Gehäuse schützt und das fremde ohne Umwege bestürmt.

Und sonst? Selten wurde bei einer WM derart hart zugelangt. Effizienz ist gefragt. Für Kunst ist kein Platz mehr. Auch die größten Fußballgöt­ter schrumpfen in dieser Gemengelag­e auf irdisches Format.

Das führt zu Neymar, der mit der vierfachen Neymar-Rolle ein neues Element im Erschleich­en von Freistößen präsentier­te. Hat nicht für das Finale gereicht. Dort stehen am Sonntag die beiden Mannschaft­en, die für unterschie­dliche Wege zum Erfolg stehen. Hier die luxuriös ausgestatt­eten Franzosen mit ihrer Qualität, Kühle und Effizienz – dort die leidenscha­ftlichen Kroaten, die mit dem Geist des Außenseite­rs regelmäßig über sich hinauswach­sen.

Das verspricht ein großes Finale, dem anderntags in vielen WMKöpfen eine furchtbare Leere folgen wird? Man könnte sie mit Garten und Hund füllen. Darüber hinaus gilt für die Weltmeiste­rschaft, was auch für Weihnachte­n gilt. Nach der WM ist vor der WM. Das Wunderbare am Finale in Katar: Wer 2022 seinen Christbaum am 18. Dezember aufstellt, kann nebenbei Endspiel schauen.

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Foto: Witters Das große Aufräumen: ein englischer Fan beim Müllsammel­n.
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