Mittelschwaebische Nachrichten
Schülern Einblick in ein Unrechtssystem gewährt
Die DDR-Kritikerin Freya Klier berichtete am SKG über ihre Erfahrungen mit dem SED-Regime
Krumbach Bereits zum zweiten Mal war die bekannte DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier auf Einladung der Hanns-Seidl-Stiftung am Simpert-Kraemer-Gymnasium zu Gast, um den Schülern der zehnten Klassen vom Alltag in der SED-Diktatur zu erzählen. Geboren 1950 in Dresden, wurde Klier bereits als dreijähriges Kind mit der Brutalität des Regimes konfrontiert, als sie nach der Verhaftung ihrer Eltern gemeinsam mit ihrem älteren Bruder ein Jahr in einem staatlichen Kinderheim verbrachte.
Dort wurde sie mit dem bizarren Kult um den sowjetischen Diktator Stalin konfrontiert, dessen Tod 1953 von allen Heiminsassen pflichtschuldig betrauert werden musste – „und das bei einem Mann, der den Tod von ungefähr 40 Millionen Menschen zu verantworten hatte“, wie Klier anfügt. Auch der Bericht über das gleichgeschaltete Bildungssystem der DDR beeindruckte die Schüler. Im Fach „Staatsbürgerkunde“wurden die Jugendlichen in das verordnete Kollektiv gezwängt, jegliche Individualität wurde im Keim erstickt. Linientreue Schüler denunzierten kritische Klassenkameraden bei der Schulleitung, Schüler mit langen Haaren wurden entweder psychisch unter Druck gesetzt oder gar unter Einsatz von körperlicher Gewalt zum Friseur gebracht.
Als Kliers Bruder 1966 als 17-jähriger aus völlig nichtigem Anlass zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, schmiedet seine Schwester erstmals Fluchtpläne. Um ein Haar gelingt 1968 von Rostock aus die Flucht nach Schweden, doch Klier wird im letzten Moment verhaftet. Sie wird wegen versuchter „Republikflucht“zu 16 Monaten Haft verurteilt. Ihr Bruder, mittlerweile wieder auf freiem Fuß, protestiert öffentlich gegen die Behandlung seiner Schwester. Daraufhin wird er in einer psychiatrischen Klinik interniert, wo er sich 1979 das Leben nimmt. Freya Klier wird erfolgreiche Regisseurin und Schauspielerin, 1984 erhält sie den Regiepreis der DDR. Aber sie bleibt eine unbeugsame Kritikerin der Diktatur. Gemeinsam mit ihrem Mann Stephan Krawczyk wird sie in der kirchlichen Umwelt- und Friedensbewegung in der DDR aktiv. Als die DDR-Führung ihr die Ausreise anbietet, lehnt sie, die 1968 noch fliehen wollte, ab. Weder ein Berufsverbot 1985 noch ein Anschlag mit Nervengift noch die erneute Inhaftierung, diesmal im Stasigefängnis Hohenschönhausen, können ihren Willen brechen. Das DDR-Regime schiebt Freya Klier und Stephan Krawczyk 1988 in die Bundesrepublik ab, wo beide sofort einen Antrag auf Wiedereinreise in die DDR stellen. Doch die Geschichte ist schneller als die Bürokratie: Nach der Wende in der DDR und der anschließenden Wiedervereinigung bleibt Klier in West-Berlin, wo sie auch heute noch als Autorin und Regisseurin lebt.
Viele Nachfragen sowie ein lang anhaltender Schlussapplaus zeigen, wie erfolgreich Freya Klier ihr Anliegen umsetzt, die Erinnerung an die zweite Diktatur auf deutschem Boden wachzuhalten.