Mittelschwaebische Nachrichten
Ein großer Forscher vom Aralsee
Abu Raihan Al-Biruni wurde im Jahr 973 in der Nähe des Aralsees geboren, in einem Gebiet, das heute zu Usbekistan gehört. Also ziemlich abseits vom großen Weltgeschehen? Keineswegs. Das Land, das damals Choresmia hieß, war ein Glied in der schier endlosen Kette großer islamischer Reiche. Und dort, nicht im mittelalterlichen Europa, spielte die Musik. Man war mächtig, wohlhabend und wissensdurstig. Moslemische Wissen- schaftler übersetzten die griechischen Klassiker ins Arabische und retteten vieles, was in Europa vergessen oder als zu freigeistig verpönt war.
Al-Biruni wurde in dieser mittelöstlichen Welt des Wissensdurstes einer der herausragendsten Wissenschaftler. Schon als junger Mann bastelte er sich eine Kugel, auf der er die ihm bekannte Welt abbildete. Der Nürnberger Martin Behaim schuf erst 450 Jahre später seinen „Erdapfel“, den ältesten erhaltenen Globus.
Dass die Erde eine Kugel war und keine Scheibe, wusste Al-Biruni von den alten Griechen Pythagoras und Aristoteles, die er studiert hatte. Nur unwissende europäische Seeleute hatten Angst, nach langer Fahrt über den Rand einer flachen Erde ins Bodenlose zu stürzen. Al-Biruni ging auch davon aus, dass sich die Erde um die Sonne und um die eigene Achse dreht. Ein alter Grieche namens Aristrarchos hatte schon tausend Jahre zuvor das gleiche vermutet, war aber von seinen Zeitgenossen verlacht worden. Al-Biruni wurde nicht verlacht, sondern erhielt als Wissenschaftler einen Ehrenplatz am Hofe seines Königs.
Astronomie und Mathematik waren die Themen, denen er die meisten seiner über hundert Bücher widmete. Aber es zog ihn auch hinaus in die weniger bekannte Welt. Als Geograph besuchte er den indischen Subkontinent und schilderte die andersartigen Gebräuche der dortigen Völker. Er beschrieb wohl als erster Fremder und mit einigem Staunen das indische Kastensystem. Seinem Werk über Indien verdankt er den Ruf, ein Pionier der Völkerkunde zu sein. Al-Birani und seine Kollegen erforschten mit wachem Geist die Welt um sie herum. Nur das mittelalterliche Europa fanden sie wenig ergiebig. Einer schrieb: „Da ist nichts zu holen.“Europa wiederum wusste lange nichts von Al-Birani. Dann entdeckten die Briten seine Beschreibung Indiens – als wertvollen Wegweiser zur Eroberung des Subkontinents.