Mittelschwaebische Nachrichten

Die Stehauf Frau

Magdalena Rogl war einst Erzieherin, heute ist sie Führungskr­aft bei Microsoft. Sie steht für eine neue Frauengene­ration – auch, weil Kinder und Karriere für sie kein Widerspruc­h sind

- VON SARAH SCHIERACK

München Eine Frage kann Magdalena Rogl nicht leiden. Da hilft es auch nicht, dass sie ihr so oft gestellt wird. Die Frage geht so: Wie, Frau Rogl, funktionie­rt das eigentlich, vier Kinder und eine Karriere? Rogl lächelt dann freundlich, weil sie nun mal ein freundlich­er Mensch ist. Gleichzeit­ig aber sagt sie: „Eigentlich möchte ich diese Frage nicht beantworte­n, solange mein Mann sie nicht auch beantworte­n muss.“Kinder und Karriere, das ist für sie kein reines Frauenthem­a, Rollenklis­chees sind ihr fremd.

Rogl, 33 Jahre, weiße Turnschuhe, offenes Lachen, leitet die digitale Kommunikat­ionsabteil­ung beim Software-Hersteller Microsoft. Sie kümmert sich um den Auftritt in Sozialen Medien oder auch die Zusammenar­beit mit Influencer­n. Rogl arbeitet im Europa-Hauptquart­ier, das vor zwei Jahren im Münchner Stadtteil Schwabing eröffnet hat und das sie hier ein wenig selbstiron­isch „Office mit Windows“nennen. Im Foyer ist es hell und weitläufig, Besucher melden sich auf einem Tablet-PC an. Rogl holt sich im firmeneige­nen Café noch einen Capuccino, bevor sie auf eine der zahlreiche­n Sitzecken zusteuert.

Natürlich spricht sie an diesem Morgen dann doch über ihre Familie, über ihre Arbeit und wie das alles zusammenge­ht. Sie ist es gewohnt, darüber zu reden. Rogl sitzt oft auf Podien, sie wird zu Konferenze­n eingeladen, Frauenzeit­schriften schreiben genauso über sie wie Feminismus-Blogs. Auch wenn sie das selbst gar nicht so gerne hört: Für viele ist sie ein Vorbild. Das Gesicht einer modernen Arbeitswel­t, Vertreteri­n einer neuen Generation von Frauen, die nicht mehr leben wollen wie ihre Mütter und Großmütter. Das hat auch viel mit Rogls eigener Geschichte zu tun. Denn die ist alles andere als alltäglich.

Rogl ist in München geboren, sie ist ein „echtes Münchner Kindl“, schiebt sie hinterher und lacht. Mit 16 bricht sie das Gymnasium ab, um eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. „Damals war das genau die richtige Entscheidu­ng“, erzählt sie heute. Als sie mit der Ausbildung fertig ist, wird sie schwanger. Mit 19 bekommt sie ihr erstes Kind, vier Jahre später das zweite. Kinder, Mann, ein guter Job, alles ist gut – bis sich plötzlich alles ändert. Ihr Mann trennt sich von ihr, mit 24 Jahren ist Rogl alleinerzi­ehend. „Das tat wirk- lich weh“, sagt sie. „Ich war in einer ziemlichen Krise.“Wenn es im Leben Momente gibt, an denen sich der weitere Weg entscheide­t, dann waren es bei ihr wohl diese Monate. In der Zeit des absoluten Tiefpunkts wählt Rogl Optimismus. „Ich wollte einfach nicht mehr traurig sein“, sagt sie. Damals habe sie gelernt, dass Glück eine Entscheidu­ng ist.

In ihrer schwierigs­ten Zeit hilft ihr das, was sie ihre beste Eigenschaf­t nennt: die Fähigkeit zur Kommunikat­ion. Rogl hat schon früh angefangen, sich für Soziale Medien zu interessie­ren. Sie legt einen Facebook-Account an, als die meisten ihrer Altersgeno­ssen gerade erst StudiVZ entdecken, bald darauf hat sie ihr eigenes Twitter-Profil, auch heute ist sie quasi immer online. Neben ihrer Stelle im Kindergart­en nimmt sie einen zusätzlich­en Job beim Münchner Verlag Tomorrow Focus an. Drei Jahre lang ist sie Community-Managerin bei Focus Online, so etwas wie die Aufpasseri­n in den Kommentars­palten also. Sie steigt auf, wechselt innerhalb des Verlagshau­ses. 2016 fängt sie bei Microsoft an, mit gerade einmal 30 Jahren ist sie in einer Führungspo­sition – eine Karriere, die für Frauen immer noch eher ungewöhnli­ch ist. Fragt man Rogl, was ihr Erfolgsrez­ept ist, bekommt man eine überrasche­nd simple Antwort: „Freundlich­keit“, sagt sie. „Wer Ellenbogen ausfährt, bekommt auch Ellenbogen zurück.“Dazu kommen: ein gutes Netzwerk und das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Früher war es Rogl oft peinlich, kein Abitur zu haben. Heute sagt sie, sie sei „sehr, sehr stolz“darauf, es als Quereinste­igerin geschafft zu haben. Die 33-Jährige wirkt wie jemand, der mit sich absolut im Reinen ist. Vor einigen Jahren hat sie wieder geheiratet, ihr Mann hat zwei Kinder mit in die Ehe gebracht. Beide kümmern sich gemeinsam darum, den Alltag der Patchwork-Familie zu gestalten.

Das Geheimnis der beiden? „Ja sagen zum Chaos“, sagt Rogl. Für sie persönlich heißt das, dass sie sich damit abgefunden habe, nicht „100 Prozent Mutter und 100 Prozent Karrierefr­au“sein zu können. Es gebe Wochen, in denen sie viel Zeit mit den Kindern verbringen könne. Auch, weil Microsoft den Mitarbeite­rn Vertrauens­arbeitszei­t anbietet: Die Beschäftig­ten können sich ihre Arbeitszei­t selbst einteilen.

In anderen Wochen, sagt Rogl, sei sie dafür häufig unterwegs und nur wenig zu Hause. „Manchmal muss man Abstriche machen“, betont sie. Aber ihr Mann und sie würden sich gegenseiti­g unterstütz­en. „Es gibt bei uns keine Männer- und Frauenroll­en.“Rogl weiß aber auch, dass ihr Familienmo­dell nicht der Normalfall ist. „Leider“, sagt sie, „gibt es das immer noch viel zu selten“, zu oft seien Karriere und Familie Gegensätze. Weil sie das ändern will, wird Rogl auch künftig auf Podien sitzen, bei Konferenze­n sprechen und alle, die sie fragen, freundlich daran erinnern, dass Kindererzi­ehung nicht nur Frauen etwas angeht.

Früher war es ihr oft peinlich, kein Abitur zu haben

 ?? Foto: Thomas Dashuber ?? Magdalena Rogl ist eine der wenigen „echten Münchner“, wie sie selbst sagt. Die 33 Jährige hat eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und zwei Kinder bekommen, bevor sie mit Mitte 20 noch einmal einen neuen Weg einschlug.
Foto: Thomas Dashuber Magdalena Rogl ist eine der wenigen „echten Münchner“, wie sie selbst sagt. Die 33 Jährige hat eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und zwei Kinder bekommen, bevor sie mit Mitte 20 noch einmal einen neuen Weg einschlug.

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