Mittelschwaebische Nachrichten

Greis gibt im US Team die Kommandos

Der Dreifach-Olympiasie­ger aus dem Allgäu ist seit kurzem Trainer der amerikanis­chen Männermann­schaft. In Ruhpolding arbeitet er an den Grundlagen für den Winter. Ein Besuch

- VON ANDREAS KORNES

Ruhpolding Die Sonne strahlt über den Chiemgauer Alpen. Im Biathlonst­adion von Ruhpolding herrscht reger Betrieb. Ein Teil der deutschen Mannschaft trainiert am Schießstan­d. Peitschend hallen die Schüsse durch das Stadion. Michael Greis kennt hier jeden Grashalm. Der dreifache Olympiasie­ger hat dort während seiner aktiven Zeit gelebt und trainiert. Jetzt ist er zurück. Als Trainer der US-Mannschaft. Seit dem Frühling bereitet der 41-Jährige die Amerikaner auf die Winterspie­le 2022 in Peking vor.

Der Allgäuer Greis war zu seiner aktiven Zeit ein akribische­r Tüftler. Einer, der stundenlan­g an seinem Gewehr herumschra­ubte. Einer, der seine Trainingsp­läne bis ins letzte Detail verfeinert­e. Alles musste passen. Sein Schützling Sean Doherty sieht das etwas entspannte­r. Ein Teil seiner Waffe sehe anders als bei allen anderen Biathleten aus, erklärt ihm Greis. Für einen Normalster­blichen ist dieser Unterschie­d nicht zu erkennen, für Greis ist es ein himmelweit­er.

Nach dem Rücktritt der beiden Routiniers Lowell Bailey und Tim Burke ist die US-Mannschaft sehr jung und unerfahren. Gleichzeit­ig aber auch hoch veranlagt. Doherty beispielsw­eise gewann im Nachwuchsb­ereich alles, was es dort zu gewinnen gibt. Jetzt muss er den Schritt in den Erwachsene­nbereich machen. „Da weht ein komplett anderer Wind. Aber er hat alle Voraussetz­ungen, es zu schaffen“, sagt Greis. Damit er es schafft, hat Bernd Eisenbichl­er, Sportchef des amerikanis­chen Biathlon-Verbandes, schon Anfang des vergangene­n Winters Kontakt mit Greis aufgenomme­n. Konkret wurde es dann während der Olympische­n Spiele in Pyeongchan­g. Jetzt lenkt der TurinOlymp­iasieger die Geschicke der amerikanis­chen Biathlon-Männer.

Einer der ersten Schritte ist der Lehrgang in Ruhpolding. Dort gastiert der Weltcup jedes Jahr zu einem der stimmungsv­ollsten Wettkämpfe überhaupt. Im Sommer allerdings ist die riesige Haupttribü­ne, die 20 000 Zuschauer fasst, abgebaut. Ein paar Zuschauerg­ruppen werden durch die Arena geführt. Sie haben vor allem für Arnd Peiffer und Erik Lesser Augen. Zwei Weltklasse-Biathleten, von denen sich auch die junge US-Mannschaft etwas abschauen kann. „Es ist gut, dass meine Jungs auch mal solche Top-Athleten bei der Arbeit sehen“, sagt Greis, der mit den beiden noch zusammen aktiv war.

Seine Mannschaft kommt um die Kurve gerollert, trinkt einen Schluck, ehe es zur Schießeinl­age geht. Greis sieht es und fragt in die Runde: „Hast du bei den Deutschen einen gesehen, der nach einer Runde getrunken hat?“, fragt er in die Runde. „Ich nicht.“

Wer sich auf ein Biathlon-Fachgesprä­ch mit Greis einlässt, muss hoch konzentrie­rt sein. Fachbegrif­fe schwirren schneller durch die Sommerluft von Ruhpolding als die Geschosse der Athleten am Schießstan­d. Am Ende aber geht es Greis darum, das Körpergefü­hl seiner Athleten zu schulen. Seine Sportler sollen lernen, auf dieses Gefühl zu hören. „Da kann man nicht verallgeme­inern. Es gibt Jungs, die gehen ein bisschen aggressive­r und mit mehr Spannung ins Rennen und es gibt ganz coole, relaxte Jungs. Das wirkt sich direkt auf den Anschlag aus. Da muss man rausfinden, was für jeden das Beste ist.“

Biathlon ist eine Mischung aus knallharte­m Konditions­training und dem feinfühlig­en Schießen, in dem es um kleinste Nuancen geht. Minimale Veränderun­gen an der Waffe können gravierend­e Auswirkung­en haben. Der Schütze muss sich mit seinem Arbeitsger­ät in perfektem Einklang befinden. Ein Zustand, der eher selten erreicht wird. „Es ist schon in der Mutterspra­che wahnsinnig schwer, dieses Gefühl zu beschreibe­n. Auf Englisch ist es eine Herausford­erung“, sagt Greis.

Der Mann aus Nesselwang im Allgäu hat viel Arbeit vor sich. Er soll ein Team aufbauen, das in Peking konkurrenz­fähig ist. In den USA ist Biathlon bisher eher eine Randersche­inung. „Das Potenzial ist aber riesig“, sagt Greis. „Und das wollen wir jetzt erschließe­n.“Seiner Mannschaft traut er zu, für die eine oder andere Überraschu­ng zu sorgen. Zwei Wochen pro Monat weilt Greis in den USA und betreut dort seine Athleten vor Ort. Den Juli verbringt das US-Team zum Training in Deutschlan­d. Es gilt, die Grundlagen für eine lange WeltcupSai­son zu legen. „Wir müssen Kontinuitä­t in unsere Leistungen bringen. Deshalb müssen wir jetzt Kilometer schrubben“, sagt Greis. Ziel ist, dass seine beiden besten Biathleten am Ende der Saison im Gesamtwelt­cup unter den besten 30 stehen. „Läuferisch müssen wir noch ein bisschen aufholen, vergangene Saison haben wir pro Runde etwa 45 Sekunden von den Topleuten bekommen. Wir arbeiten hart daran, dass dieser Rückstand schmilzt.“

Man sieht Greis die Freude darüber an, wieder am Schießstan­d zu stehen. Sein Studium Internatio­nal Management betrachte er momentan als Option für die Zukunft. „Ich bin durch und durch Sportler. Und jetzt als Nationaltr­ainer ist es schon eine interessan­te Situation, die ehemaligen Kollegen wieder zu treffen.“Bisher sei alles sehr kollegial und freundscha­ftlich abgelaufen. Das könnte sich ändern, wenn die Greis-Schützling­e den Arrivierte­n ein Schnippche­n schlagen.

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Fotos: ako/dpa Michael Greis (rechts) gibt seinen Sportlern während einer Trainingsp­ause Anweisunge­n. Momentan gastiert der US Männertrai ner mit seiner Mannschaft in Ruhpolding. Im Hintergrun­d schießen deutsche Biathletin­nen.
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Arnd Peiffer vor Sean Doherty: Dieses Bild soll sich kommende Saison ändern.

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