Mittelschwaebische Nachrichten

Kunst in Gummistief­eln

Bereits zum dritten Mal findet das Ackerbeat in Waltenhaus­en statt. Hier wird nicht nur Musik geboten, das gesamte Festival ist ein Kunstwerk, an dem viele Künstler stricken

- VON STEFAN REINBOLD www.ackerbeat.de

Waltenhaus­en Selbst wenn Axel Brandt die Funktionsw­eise seiner selbst gebauten Komposttoi­lette nicht genau erläutern will – ein bisschen stolz ist er auf dieses „Kunstwerk“schon. Ein ausgeklüge­ltes System sorgt dafür, dass Gerüche und Fliegen die Besucher des stillen Örtchens möglichst wenig behelligen sollen. Grob gesagt werden die Hobel- und Sägespäne vom Bau der sanitären Einrichtun­g nach Verrichtun­g des Geschäfts aufgestreu­t und nach der Kompostier­ung kommt alles als Dünger aufs Feld. Keine Chemie, sondern natürliche­r Kreislauf. Der Gedanke der Nachhaltig­keit zieht sich wie ein roter Faden durch das Konzept des Ackerbeat-Festivals, das am kommenden Freitag beginnt. Nicht nur aus Sparsamkei­t setzen die Organisato­ren des Waltenhaus­er Musikfesti­vals auf Marke Eigenbau. „Das ist doch das, was dem Land verloren geht. Alles wird vorgegeben. Wir sind da ein Gegenpol“, sagt Brandt. Unterständ­e, Bars und die zwei Bühnen sind selbst gezimmert, Hermann Briechle und Artur Reichhardt haben mit mehreren Lkw-Batterien einen Stromspeic­her gebaut, aus dem die nächtliche Beleuchtun­g des Festivalge­ländes und die Kühlung der Getränke gespeist werden. Die Milch für den Milchkaffe­e und die Waffeln kommen von den Kühen einer Waltenhaus­er Biolandwir­tschaft. Coca Cola und Nestlé sucht man auf dem Ackerbeat vergeblich – nach Ansicht der Veranstalt­er zu große Ressourcen­fresser. Damit trotzdem niemand auf Bacardi-Cola oder Jägermeist­er-Cola verzichten muss, wird als Alternativ­e HavannaFri­tz und Fritz Killepitsc­h – ein Kräuterlik­ör aus Brandts Wahlheimat Düsseldorf – ausgeschen­kt. Das garantiert glyphosatf­reie Bier kommt aus der Biobrauere­i Härle und die Musikanlag­e stammt noch aus den 1980er Jahren. Solange sie noch so gut funktionie­rt, gibt es keinen Anlass, sich von ihr zu trennen.

Selbstvers­tändlich wird auch bei der Auswahl der Bands auf Authentizi­tät geachtet. So stehen fast ausschließ­lich Musiker auf den beiden Bühnen des Festivals, die ihre eigenen Kompositio­nen spielen. Besonders stolz ist Brandt in dieser Hinsicht auf Ouzo Bazooka aus Tel Aviv und Electric Ray and The Shockers aus Linz, die dem kleinen Festival auf dem Waltenhaus­er Acker einen internatio­nalen Touch verleihen. Musikalisc­he Selbermach­er mit besonderer Klasse sind aber auch die Jungs von Muntermoni­ka. Aus dem schwäbisch­en Tierhaupte­n stammend aber mit oberbayeri­schem Dialekt besingen sie den Alltag, die Höhen und die Tiefen im Leben der um die Zwanzigjäh­rigen.

Einzig den Lokalmatad­oren von Grandmothe­rs Groove ist es als Mitveranst­alter des Festivals erlaubt, Coversongs zu spielen. „Die wollten einfach auch mal einen regenfreie­n Auftritt haben“, erklärt Brandt schmunzeln­d.

Seit das Festival auf dem Onlineport­al festivalti­cker.de gelistet ist, würden sich täglich zwei bis drei Bands für einen Auftritt bewerben, sagt Brandt. Einmal habe sich eine Band gemeldet, die sowohl Songs von den Toten Hosen als auch von den Böhse Onkelz covert. Brandt fragt sich, wie das zusammenge­hen soll. Für ihn sind Musik und Kunst nicht reiner Selbstzwec­k, sondern auch mit einer Haltung verbunden. „Die muss zu unserem Festival passen“, sagt Brandt und stellt klar: „Rechts geht gar nicht.“Brandt sieht das ganze Ackerbeat-Festival als Kunstwerk. Nicht der Konsum soll im Vordergrun­d stehen. Eintritt muss wegen der vielen Kosten und Gebühren, die ein solches Ereignis mit sich bringt, dennoch erhoben werden. Ein großer Gewinn, so Brandt, springt aber trotzdem nicht heraus. Darum geht es auch nicht, vielmehr spielt das Mitmachen und der Austausch eine wichtige Rolle. Brandt freut es, dass im Backstageb­ereich internatio­nal erfahrene Musiker wie Ouzo Bazooka mit so jungen aufstreben­den Bands wie Hot in the Box, die vor wenigen Jahren noch an der Berufsfach­schule für Musik in Krumbach ausgebilde­t wurden, zusammentr­effen. „Das öffnet uns auch den Horizont, man lernt so viel“, sagt Brandt.

Mit Freude erfüllt ihn auch, wie das ganze Dorf beim Festival mit anpackt. Die Feuerwehr stellt die Ordner, viele Waltenhaus­er sind in ganz unterschie­dlicher Form am Gelingen des Ackerbeats beteiligt und nicht zuletzt tritt auch der lokale Musikverei­n unter dem Namen Schlagholz­blech in großer Besetzung auf und setzt einen ganz eigenen Akzent im Festivalpr­ogramm.

 ?? Foto: Georg Drexel ?? Wasserfest­es Schuhwerk war bislang auf dem Ackerbeat ein guter Begleiter. Die Organisato­ren setzen auf Understate­ment. Für sie steht die Kunst im Vordergrun­d. Dabei geht es nicht nur um den Konsum, sondern auch ums Mitmachen und ums Selbermach­en.
Foto: Georg Drexel Wasserfest­es Schuhwerk war bislang auf dem Ackerbeat ein guter Begleiter. Die Organisato­ren setzen auf Understate­ment. Für sie steht die Kunst im Vordergrun­d. Dabei geht es nicht nur um den Konsum, sondern auch ums Mitmachen und ums Selbermach­en.

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