Mittelschwaebische Nachrichten
Kunst in Gummistiefeln
Bereits zum dritten Mal findet das Ackerbeat in Waltenhausen statt. Hier wird nicht nur Musik geboten, das gesamte Festival ist ein Kunstwerk, an dem viele Künstler stricken
Waltenhausen Selbst wenn Axel Brandt die Funktionsweise seiner selbst gebauten Komposttoilette nicht genau erläutern will – ein bisschen stolz ist er auf dieses „Kunstwerk“schon. Ein ausgeklügeltes System sorgt dafür, dass Gerüche und Fliegen die Besucher des stillen Örtchens möglichst wenig behelligen sollen. Grob gesagt werden die Hobel- und Sägespäne vom Bau der sanitären Einrichtung nach Verrichtung des Geschäfts aufgestreut und nach der Kompostierung kommt alles als Dünger aufs Feld. Keine Chemie, sondern natürlicher Kreislauf. Der Gedanke der Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Konzept des Ackerbeat-Festivals, das am kommenden Freitag beginnt. Nicht nur aus Sparsamkeit setzen die Organisatoren des Waltenhauser Musikfestivals auf Marke Eigenbau. „Das ist doch das, was dem Land verloren geht. Alles wird vorgegeben. Wir sind da ein Gegenpol“, sagt Brandt. Unterstände, Bars und die zwei Bühnen sind selbst gezimmert, Hermann Briechle und Artur Reichhardt haben mit mehreren Lkw-Batterien einen Stromspeicher gebaut, aus dem die nächtliche Beleuchtung des Festivalgeländes und die Kühlung der Getränke gespeist werden. Die Milch für den Milchkaffee und die Waffeln kommen von den Kühen einer Waltenhauser Biolandwirtschaft. Coca Cola und Nestlé sucht man auf dem Ackerbeat vergeblich – nach Ansicht der Veranstalter zu große Ressourcenfresser. Damit trotzdem niemand auf Bacardi-Cola oder Jägermeister-Cola verzichten muss, wird als Alternative HavannaFritz und Fritz Killepitsch – ein Kräuterlikör aus Brandts Wahlheimat Düsseldorf – ausgeschenkt. Das garantiert glyphosatfreie Bier kommt aus der Biobrauerei Härle und die Musikanlage stammt noch aus den 1980er Jahren. Solange sie noch so gut funktioniert, gibt es keinen Anlass, sich von ihr zu trennen.
Selbstverständlich wird auch bei der Auswahl der Bands auf Authentizität geachtet. So stehen fast ausschließlich Musiker auf den beiden Bühnen des Festivals, die ihre eigenen Kompositionen spielen. Besonders stolz ist Brandt in dieser Hinsicht auf Ouzo Bazooka aus Tel Aviv und Electric Ray and The Shockers aus Linz, die dem kleinen Festival auf dem Waltenhauser Acker einen internationalen Touch verleihen. Musikalische Selbermacher mit besonderer Klasse sind aber auch die Jungs von Muntermonika. Aus dem schwäbischen Tierhaupten stammend aber mit oberbayerischem Dialekt besingen sie den Alltag, die Höhen und die Tiefen im Leben der um die Zwanzigjährigen.
Einzig den Lokalmatadoren von Grandmothers Groove ist es als Mitveranstalter des Festivals erlaubt, Coversongs zu spielen. „Die wollten einfach auch mal einen regenfreien Auftritt haben“, erklärt Brandt schmunzelnd.
Seit das Festival auf dem Onlineportal festivalticker.de gelistet ist, würden sich täglich zwei bis drei Bands für einen Auftritt bewerben, sagt Brandt. Einmal habe sich eine Band gemeldet, die sowohl Songs von den Toten Hosen als auch von den Böhse Onkelz covert. Brandt fragt sich, wie das zusammengehen soll. Für ihn sind Musik und Kunst nicht reiner Selbstzweck, sondern auch mit einer Haltung verbunden. „Die muss zu unserem Festival passen“, sagt Brandt und stellt klar: „Rechts geht gar nicht.“Brandt sieht das ganze Ackerbeat-Festival als Kunstwerk. Nicht der Konsum soll im Vordergrund stehen. Eintritt muss wegen der vielen Kosten und Gebühren, die ein solches Ereignis mit sich bringt, dennoch erhoben werden. Ein großer Gewinn, so Brandt, springt aber trotzdem nicht heraus. Darum geht es auch nicht, vielmehr spielt das Mitmachen und der Austausch eine wichtige Rolle. Brandt freut es, dass im Backstagebereich international erfahrene Musiker wie Ouzo Bazooka mit so jungen aufstrebenden Bands wie Hot in the Box, die vor wenigen Jahren noch an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach ausgebildet wurden, zusammentreffen. „Das öffnet uns auch den Horizont, man lernt so viel“, sagt Brandt.
Mit Freude erfüllt ihn auch, wie das ganze Dorf beim Festival mit anpackt. Die Feuerwehr stellt die Ordner, viele Waltenhauser sind in ganz unterschiedlicher Form am Gelingen des Ackerbeats beteiligt und nicht zuletzt tritt auch der lokale Musikverein unter dem Namen Schlagholzblech in großer Besetzung auf und setzt einen ganz eigenen Akzent im Festivalprogramm.