Mittelschwaebische Nachrichten

„Chemie? – Nein, danke“

Wie Schädlinge im eigenen Garten biologisch bekämpft werden können. Der Betriebsle­iter der Ursberger Klostergär­tnerei, Robert Dieminger, gibt Tipps

- VON REBECCA MAYER

Ursberg Die grünen Kohlrabipf­lanzen ragen bereits aus der Erde, der Salat wird täglich größer und die ersten Tomaten aus dem eigenen Garten sind bereits reif. Doch kurz vor der Ernte sieht man zwischen den einzelnen Pflanzen kleine Läuse krabbeln, die jedes Salatblatt anfressen. Die Wut ist groß. Zum effektiven Abtöten der Biester wird aus der Garage Spritzmitt­el geholt.

„Doch es geht auch schonend“, sagt Gärtner Robert Dieminger Betriebsle­iter der Klostergär­tnerei in Ursberg und schaut sich zwischen etlichen Tomatenstr­äuchern im Gewächshau­s um. Ein Schild mit der Aufschrift „Encarsia formosa“, zu deutsch Schlupfwes­pe, hängt an einem Tomatenstr­auch. Er erklärt: „Für eine gesicherte Ernte muss die Pflanze im Gartenbeet nicht chemisch behandelt werden, denn für jeden Schädling gibt es zur Bekämpfung ein nützliches Insekt. Beim Anbau der Tomaten stoppt die Schlupfwes­pe den Befall der weißen Fliege.“Mit dem Legestache­l lege der Nützling ein Ei in den Schädling. „Im Endeffekt wird der Schädling von innen heraus aufgefress­en und es schlüpft ein neuer Nützling.“Es geht rau zu in der Natur. Die Blattläuse am Salat frisst in der Klostergär­tnerei die Florfliege­nlarve, ein Räuber unter den Insekten. „Der Einsatz von Räubern scheint auf den ersten Blick effektiver, da sofort alle Schädlinge aufgefress­en werden. Wenn allerdings alle Läuse weg sind, hat der Räuber ein Problem. Ich würde sagen, die Kombinatio­n aus Räuber und Parasit macht es.“

Doch die Arbeit mit Nützlingen ist teuer. Anders als ein Pflanzensc­hutzmittel könne man die gekauften Larven nicht für die nächste Gartensais­on aufbewahre­n. Auch könnten die Nützlinge nur im Gewächshau­s ausgesetzt werden. „Auf großen Ackerfläch­en hauen die Nützlinge ab.“

Für Hobbygärtn­er, die ihr befallenes Gemüse lieber spritzen, gibt es auch eine biologisch­e Variante. Robert Dieminger zeigt auf das Pflanzensc­hutzmittel „Neem Plus Schädlings­frei“und liest die Inhaltssto­ffe vor: „Neem ist ein biologisch­es Mittel, das aus der Pflanze des indischen Neembaums gewonnen wird. Das enthaltene Rapsöl verklebt die Atemwege der Läuse.“Er schmunzelt: „Herkömmlic­hes Rapsöl fürs Salatdress­ing funktionie­rt bei der Bekämpfung allerdings nicht. Denn es löst sich nicht im Wasser auf.“Gegen die saugenden Insekten seien auch Schutzmitt­el aus Kaliseife besonders wirkungsvo­ll und pflanzenve­rträglich. „Kaliseife ist eine herkömmlic­he Schmiersei­fenlösung. Anders als die Neemproduk­te mit Rapsöl haben sie aber keine Langzeitwi­rkung. Es muss gezielt jede einzelne Laus behandelt werden.“Drei Schädlinge sind laut Dieminger gerade besonders aktiv. An der Karotte bedient sich die Möhrenflie­ge, die Kohlfliege frisst sich am Weißund Blaukraut, Chinakohl oder Wirsing satt und am Lauch krabbelt die Lauchminie­rmotte. Nah an den Wurzeln der Pflanze legen die Fliegen ihre Eier ab. Er zeigt auf eine befallene Karotte. Unten an der Wurzelspit­ze hat die Möhre schwarze Stellen. „Die schwarzen Stellen sind vermadet, völlig matschig und ungenießba­r.“Die geschlüpft­en Larven im Lauch, den Karotten oder den Kohlpflanz­en könnten das Gemüse derart befallen, dass die Pflanze komplett absterbe.

Auf den Lauchfelde­rn der Klostergär­tnerei liegen weiße, eng gewobene Netze aus. Die Netze haben eine Maschenwei­te im Millimeter­bereich. Es sind spezielle Kulturnetz­e, die den Anflug der kleinen Schädlings­fliege stoppen. „Ohne die Netze könnte der Lauch in der Gärtnerei zum Teil nicht mehr angepflanz­t werden“, erklärt er. „Beim Lauch lassen wir das Netz ganzjährig auf der Pflanze, von der Einsaat bis zur Ernte. Die Karottenfl­iege zieht dreimal im Jahr für ungefähr vier Wochen los. „Zunächst Anfang Mai, die nächste Generation Ende Juli und die dritte von September bis Oktober.“In diesen Zeiten seien die Pflanzen mit dem Netz abgedeckt. Neben den Fliegen sind wie jedes Jahr Nacktschne­cken ein Thema im Obst- und Gemüseanba­u. Auch vor den Zierpflanz­en machen die gefräßigen Tiere keinen Halt. Eine ungefährli­che Alternativ­e zum chemischen Schneckenk­orn? „BioSchneck­enkorn“, sagt er. „Es schont die Umwelt, bietet Schutz für Nützlinge, wie zum Beispiel Bienen, und enthält keine Wartezeit bei der Ernte der Pflanze.“Unabhängig, für welche Marke man sich beim Kauf entscheide, sei für die biologisch­e Bekämpfung der Schnecken der natürliche Wirkstoff Eisen-IIIPhospha­t entscheide­nd. „Aber auch biologisch­e Pflanzensc­hutzmittel können gefährlich sein“, warnt Dieminger. „Deshalb Gummistief­el, Arbeitskle­idung und Handschuhe anziehen.“

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Fotos: Rebecca Mayer Gärtner Robert Dieminger bekämpft Schädlinge im Obst und Gemüsebau ohne Chemie. Hummeln werden als Nützlinge zur Be stäubung von Tomatenblü­ten eingesetzt.
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