Mittelschwaebische Nachrichten

Auf den Spuren längst vergangene­r Zeiten

Literaten Wattenweil­er spürten in alten Schriften den Lebensumst­änden und Geschichte­n nach

-

Höselhurst Der Exkurs der Literaten Wattenweil­er in die Zeit alter Schriften, beackerte ein Stück Heimatund Zeitgeschi­chte. Die Bedeutung des Themas konnte nur angerissen und an diesem Abend noch nicht erschöpfen­d bearbeitet werden. Das Thema stieß neben den Literaten aus Wattenweil­er auch beim Günzburger Autorenver­ein auf großes Interesse. Es wird die Beteiligte­n noch eine Weile beschäftig­en und findet am 11. September um 20 Uhr wieder im Gasthaus Traube in Höselhurst seine Fortsetzun­g. Organisato­r Josef Kugler bedankte sich mit dem von ihm verfassten Kinderbuch für die langjährig­e Gastfreund­schaft bei Wirtin Hildegard Mayer.

Die gezeigten Schätze aus privaten Sammlungen waren umfangreic­h und reichten bis ins 19. Jahrhunder­t zurück. Es waren Urkunden, Geschäftsp­apiere, Zeugnisse, Postkarten und Briefe darunter, die zum Teil sehr persönlich­e Erinnerung­en aus den Familienge­schichten zeigen und Einblick in die Lebensgesc­hichte eines Menschen geben. Die Leihgaben zur Ansicht waren in fein säuberlich­er Handschrif­t verfasste Texte und einige Druckerzeu­gnisse. Hingucker war ein kunstvoll gestaltete­s Poesiealbu­m.

Anton Böller hatte in Kopie vorliegend­e Schriftstü­cke vorbereite­t und dazu den Hintergrun­d zu den Umständen und den handelnden Personen erläutert. An einer Postkarte von 1910, mit der ein junger Mann im Militärdie­nst seinem Vater zum Namenstag gratuliert, übte die Versammlun­g gemeinsam, den in Sütterlins­chrift verfassen Text zu lesen. Damals wurden Eltern noch in der dritten Person mit „Ihr“oder „Euer“und nicht mit „Du“angesproch­en und eine höfliche und respektvol­le Umgangsspr­ache ge- pflegt. Vordrucke und Namen wurden in lateinisch­er Schrift geschriebe­n. Böller, der sich um das Archiv seines Heimatorte­s Wattenweil­er kümmert, wusste auch, dass dieser junge Mann, namens Michael im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Eine Betreff Carneval 1914“hielt fest, mit wie viel Einsatz und Fantasie Fastnacht gefeiert wurde. Sie zeugt von Lebensfreu­de und Gemeinscha­ftssinn vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriege­s. Es wird berichtet, „Am Fastnachts­dienstag 24. Februar fand in Wattenweil­er folgendes statt: Großer Maskenzug mit folgender Einteilung“. In zehn Punkten sind die Zusammense­tzung und Themen der Wagen und teilnehmen­den Gruppen protokolla­risch und mit Bewertunge­n festge„Urkunde halten. Angeführt von den Bremer Stadtmusik­anten folgten die Liebeslaub­e oder maskierte schöne Mädchen aus Höselhurst. Den Abschluss bildeten zwei große Feldgeschü­tze bespannt mit je vier Ochsen. Ein Brief von 1942 an den Bruder mit der Bitte um Schallplat­tenaufnahm­en der Kirchenglo­cken hatte das Ziel, für Wattenweil­er ihren schönen Klang festzuhalt­en, bevor man sie abholte und für Rüstungszw­ecke einschmolz. Die Erinnerung an den Beginn der Schulzeit teilten viele Anwesende. Sie löste einen regen Austausch an, als Lothar Heubeck, Kind deutscher Auswandere­r nach Catania in Sizilien 1938 dort zur Schule kam. Das erste Schuljahr war ganz auf das Erlernen von Schönschri­ft ausgericht­et. Das Sammeln im Schulhof, die Trennung nach Mädchen und Jungen, militärisc­her Drill dienten der Erziehung zur Disziplin. Manche Erinnerung­en der Anwesenden an ihre Schulzeit in Schwaben unterschie­den sich kaum. Die ausgezeich­neten Noten von Thekla Steinle aus Rommelsrie­d in sechs Jahren Werktagssc­hule von 1899 bis 1906 und drei Jahren Sonntagsch­ule bis 1909 taugten nicht für gesellscha­ftlichen Aufstieg und eine Karriere, wenn man arm war, auch wenn man als kluge Ratgeberin und Helferin geschätzt war, zeigt ihr geradlinig­er von Glauben geprägter Lebensweg durch zwei Weltkriege. Große Betroffenh­eit löste das besonders tragische Ende einer Liebe aus, die man als „Romeo und Julia in Schwaben“bezeichnen könnte. Liebesbrie­fe zwischen einem Erbhofbaue­rnsohn und einer armen Söldnertoc­hter von 1932 bis 1938 berichten von ihrer Zuneigung und vom Verbot der Eltern des jungen Mannes, das damit endete, dass er sich das Leben nahm.

 ?? Foto: Wiedemann ?? Auf großes Interesse stießen die Dokumente und alten Schriften beim gut besuchten Treffen in Höselhurst.
Foto: Wiedemann Auf großes Interesse stießen die Dokumente und alten Schriften beim gut besuchten Treffen in Höselhurst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany