Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Baumhaus für die Bahn

- VON RUPERT HUBER redaktion@augsburger allgemeine.de

So weit musste es kommen. Angehende Azubis müssen künftig kein Anschreibe­n mehr formuliere­n, wenn sie sich bei der Bahn bewerben. Das ist einfach zu schwierig für die Generation, die den Daumen nicht vom Tablet runterbrin­gt und noch nie ein richtiges Buch gelesen hat. Von einem mobilen Brezenverk­äufer verlangt man ja auch kein Motivation­sschreiben. Und beim IT-Experten geht man ohnedies von einer vorhandene­n Job-affinen Begeisteru­ng aus.

Ins Grübeln aber kommen wir bei Lokführer-Aspiranten, die „Zugfolge“als einziges Wort kennen. Was ja nichts anderes heißt, als dass die Verspätung schon einkalkuli­ert ist. Dabei kann die Bahn durchaus witzig sein. Ein angehender Bauzeichne­r erfährt aus München: „Du hast auch schon für Dein Baumhaus eine Entwurfssk­izze erstellt. Dann bist Du bei uns genau richtig!“Merkwürdig, dass uns angesichts solch frühkindli­cher Motivation Panik überkommt.

Genau wie beim berühmten vorausfahr­enden Zug, den noch nie einer gesehen hat. Ein Phantom der Schiene, das auf dem Abstellgle­is landen müsste. Wenn nicht, stehen die ICE irgendwo herum und verstopfen Deutschlan­d so gründlich wie der Pkw-Verkehr zu Ferienbegi­nn die Brenneraut­obahn. Denn irgendwo müssen sie ja sein, die beinahe 100 000 Züge, die im vergangene­n Jahr nicht im Zielbahnho­f angekommen sind. Ob sie jemals wieder eine Zugfolge schaffen? Wir wissen es nicht. Wahrschein­lich fällt eher ein Baumhaus aus den Ästen runter aufs Gleis.

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