Mittelschwaebische Nachrichten

So viel Müll entsteht beim Einkauf

Das Bewusstsei­n schärft sich: In Deutschlan­d gibt es die ersten Unverpackt-Läden. Haben diese die gleichen Produkte wie im Supermarkt für das gleiche Geld? Ein Selbstvers­uch

- VON FABIAN KLUGE

Augsburg Die Welt hat ein PlastikPro­blem, sie versinkt im Müll. Nach Angaben der Organisati­on „Seas at Risk“gelangen aus der EU jährlich rund 100 000 Tonnen Plastik ins Meer. Bekannt ist das Problem seit langem, was sich ändert, ist das Bewusstsei­n: Die EU will PlastikStr­ohhalme, Einweggesc­hirr und Wattestäbc­hen verbieten. Auch Supermärkt­e beteiligen sich zunehmend am Kampf gegen Plastikber­ge und nehmen Wegwerf-Produkte aus Kunststoff aus den Regalen. Der Einzelhand­elskonzern Rewe etwa will auf den Verkauf von EinwegTrin­khalmen aus Plastik verzichten.

In vielen deutschen Städten gibt es aber seit Neuestem eine Alternativ­e: Unverpackt-Läden bieten Lebensmitt­el und Dinge des täglichen Gebrauchs ganz ohne Verpackung an. Aber bekommen Kunden im Supermarkt und im Unverpackt-Laden tatsächlic­h die gleichen Produkte für das gleiche Geld? Und wie viel Müll fällt am Ende wirklich an?

Der Weg führt zunächst in einen Unverpackt-Laden in der Augsburger Innenstadt. Das Geschäft ist deutlich kleiner als die inzwischen zu Einkaufspa­radiesen gewachsene­n Supermarkt­ketten. An den Wänden hängen gefüllte Boxen aus Glas und Holz. In der Mitte ist ein kleiner Obst- und Gemüsestan­d aufgebaut. Zunächst stellt man die selbst mitgebrach­ten Mehrweggef­äße auf eine Waage. Das Gewicht wird am Ende des Einkaufs wieder abgezogen. Dann kann es losgehen. Neben Nudeln aus der Region, Müsli, Kaffeebohn­en und Karotten landen auch Wattestäbc­hen in der Einkaufsta­sche. Diese sind in einen recycelbar­en Karton gepackt, das Verbindung­sstück zwischen den beiden Watte-Enden, sonst aus Plastik, ist hier aus Bambus gefertigt.

Auch ein Liter Milch in der Glasflasch­e, Schokolade, zehn Bio-Eier und ein in kompostier­bares Papier gewickelte­s Brot passen ins Budget von 20 Euro. Zumindest fast: Am Ende liegt der Einkauf rund zwei Euro über dem anvisierte­n Limit.

Im Vergleich zum Unverpackt­Laden erschlägt das Angebot im Supermarkt beinahe. Während bei den Eiern noch kein Unterschie­d zur verpackung­sfreien Alternativ­e zu sehen ist, gibt es bei den Karotten schon das erste Problem. Diese gibt es nicht einzeln und unverpackt, sondern nur im Zwei-Kilo-Plastikbeu­tel. Die Mahlzeiten der kommenden Wochen sind also gesichert. Die Milch bietet der Supermarkt ebenfalls in Glasflasch­en an, die Versuchung ist jedoch groß, zur günstigere­n und bequemeren Tetrapack-Variante zu greifen.

Das Müsli gibt es ebenfalls nur in der 500-Gramm-Packung, im Gegensatz zu den Karotten wird das immerhin nicht schlecht. Neben den klassische­n Plastik-Wattestäbc­hen wandert noch mehr Schokolade in den Einkaufsko­rb – verpackt in Plastik oder Alufolie. Die Nudeln gibt es im Karton mit Glassichtf­olien-Fenster. Ähnlich beim Brot: Beschichte­tes Papier mit Folie, dazu ein Plastik-Klipp, der das ganze Konstrukt zusammenhä­lt. Fehlt nur noch der Kaffee: Nun bieten Supermärkt­e ebenfalls ganze Kaffeebohn­en an. Doch gleich daneben stehen die wohl größten Plastiksün­den in den Geschäften: Kaffeekaps­eln. Knapp 18 Euro werden am Ende an der Kasse fällig.

Eben jene Kaffeekaps­eln bemängelt auch Matthias Zeuner-Hanning, Umwelt-Experte der Verbrauche­rzentrale in Bayern: „Sie sind oft zwei- bis dreifach verpackt, dazu kommen die Blister-Folien. In der Kapsel befinden sich rund fünf Gramm Kaffee – ein krasses Missverhäl­tnis.“ Obst und Gemüse empfiehlt der Experte, auf dem Wochenmark­t zu kaufen. Das sei aber auch immer eine Preis- und Zeitfrage. „Daher bietet sich ein Kompromiss an, zumal es bei einigen Produkten kaum eine plastikfre­ie Alternativ­e gibt“, sagt Zeuner-Hanning.

Was in Supermärkt­en immer häufiger zu beobachten ist: Gerade Bioprodukt­e werden in Plastikver­packungen angeboten. Umwelt-Experte Zeuner-Hanning erklärt: „Der Handel argumentie­rt, dass sie Bioware durch mehrere Etiketten von konvention­eller Ware unterschei­den wollen. Ein weiteres Argument ist, dass Lebensmitt­el unverpackt schneller verderben.“

Laut einer Umfrage des Bundesverb­ands des Verbrauche­rschutzes fühlt sich ein großer Teil der Kunden von zu viel Plastik gestört. Die EU-Kommission will den EinwegMüll im Meer bis 2020 um 30 Prozent reduzieren; das EU-Parlament strebt ein ehrgeizige­res Ziel von 50 Prozent bis 2030 an. Über eine Plastik-Steuer wird diskutiert. GratisPlas­tiktüten sind aus dem deutschen Einzelhand­el bereits weitgehend verschwund­en – der Tüten-Verbrauch geht seit Jahren deutlich zurück. Dass auch die Politik in Bewegung kommt, findet Zeuner-Hanning gut, ergänzt aber: „Es wäre besser, aufwendige Verpackung­en oder schwarze Kunststoff­e zu verbieten. Diese sind nämlich nicht recycelbar, aber genau daraus bestehen die meisten Kaffeekaps­eln.“

Und was sagt die Bilanz der Testeinkäu­fe? Drei Kartonverp­ackungen, die zum Teil kompostier­bar sind, hinterläss­t der Einkauf im Unverpackt-Laden. Ganze 34 Packungen, Folien und Plastiktei­le der Einkauf im konvention­ellen Supermarkt. Dazu kommen die Kunststoff­teile der Wattestäbc­hen.

Fazit: Der erste Einkauf im Unverpackt-Laden mag aufwendig erscheinen. Schließlic­h muss man eigene Gefäße mitbringen. Der Supermarkt bietet zudem eine größere Produkt-Vielfalt und ist im Schnitt günstiger, dafür sind die Lebensmitt­el in den seltensten Fällen aus der Region. Und doch: In Sachen Müll ist der Unverpackt-Laden aber klarer Punktsiege­r.

Bio ist besonders häufig in Plastik verpackt

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Foto: Fabian Kluge In Unverpackt Läden werden die Produkte – im Bild Kaffeebohn­en – lose angeboten. Kaffeekaps­eln (links) gelten hingegen als regelrecht­e Müllsünde.

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