Mittelschwaebische Nachrichten

Heimwärts in den Osten

Warum es so viele zurückzieh­t

- Anna Ringle und Kristin Kruthaup, dpa

Spremberg Eine kleine Straße, wie man sie sich in einer Neubausied­lung in Deutschlan­d vorstellt: gepflegte Einfamilie­nhäuser, frisch angelegte Gärten mit Spielgerät­en. Neuer Straßenbel­ag, hier und da wird noch gebaut. Doch diese kleine Straße in Südbranden­burg hat eine Besonderhe­it. Anwohner Ivo Baumert zeigt von seinem Grundstück auf Häuser von Nachbarn. Sie alle verbinde eines mit ihm: Nach der Wende zogen sie aus ihrer Heimatstad­t Spremberg nach Westdeutsc­hland – und kamen wieder zurück.

Immer mehr Weggezogen­e – ob in andere ostdeutsch­e oder westdeutsc­he Bundesländ­er – zieht es wieder an frühere Wohnorte im Osten. Die Regionen buhlen um sie. Es gibt viele Rückkehr-Initiative­n und -Netzwerke. Es wird in Werbung und Kampagnen investiert. Nicht erst seit kurzem. Der Slogan einer Postkarten-Aktion vor Jahren aus Brandenbur­g etwa lautete so: „Mach Mutti glücklich. Komm zurück.“Es gibt sie bis heute.

Der Landkreis Harz in SachsenAnh­alt betreibt eine Willkommen­sagentur für Rückkehrwi­llige. Sie vermittelt als erster Ansprechpa­rtner Kontakte. „Die Anfragen steigen und auch die Zahl der Rückkehrer“, sagt die Verantwort­liche Anja Ulrich. Die Städte Wernigerod­e und Quedlinbur­g seien zurzeit besonders begehrt.

Bei Familie Baumert lief die Rückkehr ganz ohne fremde Hilfe ab. Seit annähernd einem Jahr lebt das Ehepaar mit seinen zwei Kindern wieder in Spremberg, zuvor hatten sie in Hamburg gewohnt. „Wir wollten wieder näher Richtung Familie ziehen, auch wegen der Hilfe der Großeltern bei der Kinderbetr­euung“, sagt Stefanie Baumert. Eigentlich wollte das Ehepaar in den Speckgürte­l von Berlin ziehen, weil sie in der Hauptstadt auf schnelle Anschluss-Jobs hofften. Doch es gab ein Problem. „Alle sind auf der Suche nach Immobilien, aber in und um Großstädte herum sind sie teuer“, sagt Ivo Baumert. Damit habe es einen Grund mehr für Südbranden­burg gegeben. Auch wenn bislang nur der 37-Jährige eine Arbeit in Cottbus als Steuerbera­ter gefunden hat und seine 40 Jahre alte Frau als Bankkauffr­au noch auf Jobsuche ist.

Der Trend zur Rückkehr hat in den vergangene­n Jahren in Ostdeutsch­land zugenommen, wie Tim Leibert vom Leibniz-Institut für Länderkund­e in Leipzig sagt: „Rückwander­ung ist in erster Linie eine Rückwander­ung in soziale Netze wie Familie.“Leibert stützt sich auf eine Studie des Instituts. Die Untersuchu­ng zeigt auch, dass Rückkehr kein speziell ausgeprägt­es Phänomen im Osten ist, sondern genauso in Westdeutsc­hland vorkommt. Bundesweit­er Spitzenrei­ter bei der Rückkehrer­quote in dem Beobachtun­gszeitraum ist laut Studie allerdings der ostdeutsch­e Landkreis Eichsfeld in Thüringen. Landrat Werner Henning (CDU) geht davon aus, dass der dominieren­de Faktor das Lebensgefü­hl mit Landschaft, Kultur, Religion und Familie sei, was viele an die Region binde.

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Foto: dpa Stefanie und Ivo Baumert in ihrem Wohngebiet in Spremberg.

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