Mittelschwaebische Nachrichten

Wer ersetzt ihn?

Über den sportliche­n Wert von Mesut Özil wird seit Jahren diskutiert. Die möglichen Nachfolger bringen andere Qualitäten als der Techniker mit

- VON TILMANN MEHL

Über den sportliche­n Wert von Mesut Özil streiten sich die Fußballgel­ehrten, seit der Mittelfeld­spieler im Alter von 17 Jahren erstmals für den FC Schalke in der Bundesliga auflief. 12 Jahre ist das mittlerwei­le her. Dass da ein Hochbegabt­er die Bühne betreten hatte, war offensicht­lich. Einer, bei dem klar war, wer in der Beziehung mit dem Ball das Sagen hat. Doch nicht mal in Gelsenkirc­hen waren sich Trainer, Manager und Fans sicher, ob der Künstler einen Mehrwert für die Fußball arbeitende Mannschaft haben würde. So nahm man stockende Vertragsve­rhandlunge­n zum Anlass, den Jungstar für lächerlich­e fünf Millionen Euro an Werder Bremen zu verkaufen. Zweieinhal­b Jahre später zahlte Real Madrid schon 18 Millionen für Özil. Eine Summe, die der damalige Real-Trainer José Mourinho als lächerlich günstig empfand.

So also spielte er für den größten Verein der Welt unter einem der härtesten Trainer dieses Planeten, leitete das Spiel der deutschen Nationalma­nnschaft und sah sich doch immer wieder diesem einen Vorwurf ausgesetzt. Er sei ein Schönspiel­er. Einer, der glänze, wenn das Spiel in Richtung seiner Mannschaft laufe – im gegenteili­gen Fall aber tarnkappig über das Feld schlürfe.

Uli Hoeneß hat sich dieser Sichtweise angeschlos­sen: „Für mich ist Mesut Özil seit Jahren ein Alibi-Kicker gewesen, der der deutschen Mannschaft überhaupt nicht geholfen hat (...) Er hat seit Jahren einen Dreck gespielt(...) Der neue Fußball heißt Zweikämpfe gewinnen und am Gegner vorbeikomm­en. Wann ist Özil zum letzten Mal an einem Gegner vorbeigeko­mmen?“, polterte er vor dem Abflug des FC Bayern in die USA. Während die Wortwahl kaum Anklang fand, teilen viele Anhänger zumindest inhaltlich die Kritik.

Statistisc­h belegen lassen sich die steilen Thesen nicht. Sogar im katastroph­alen Südkorea-Spiel war Özil noch einer der Besseren. Seine Vorlagen fanden zumindest die Mitspieler. Zum Verwerten allerdings fehl- te es ihnen an Format. Das nun Özil anzuhängen, ist ein interessan­ter Ansatz.

Özils hängende Schultern, die an den technische­n Unpässlich­keiten seiner Mitspieler verzweifel­nde Mimik, machen es schwer, in schwierige­n Situatione­n ausgerechn­et ihm das Spiel anzuvertra­uen. Über die Auswirkung­en auf seine Mannschaft­skollegen kann nur spekuliert werden. Positiver Natur dürften sie nicht sein. Hoeneß ist weit über das Ziel hinausgesc­hossen – wo auch immer es gestanden haben mag.

Richtig ist , dass die Nationalma­nnschaft künftig ohne Özil aufläuft. Das hätte Bundestrai­ner Joachim Löw aber möglicherw­eise auch ohne dessen Rücktritt geplant. Abgesehen von all den vermeintli­chen Trends, die diese WM gebracht hat (Standards, defensives Denken, umschalten – immerzu umschalten), ist Löw selbstvers­tändlich die fehlende Wucht und Geschwindi­gkeit in der Spielfeldm­itte aufgefalle­n. Toni Kroos kann sie nicht liefern, Sami Khedira nur an ausgewählt­en Tagen, und Özil war eben der Mann für das Filigrane. Ilkay Gündogan ist zwar flink auf den Beinen – seine Zukunft in der Nationalma­nnschaft ist allerdings noch nicht geklärt. Mario Götze wiederum verfügt immer noch über wunderbare Fähigkeite­n. Leider kann er sie nicht regelmäßig abrufen.

Gewinner der Neuformier­ung dürften unter anderem Marco Reus und Leon Goretzka sein. Reus’ Schnelligk­eit ist im zentralen Bereich eine Waffe für jede Mannschaft. Goretzka ist torgefährl­ich, zweikampfs­tark und energisch. Der perfekte Dreiklang modernen Mittelfeld­spiels.

Weil auf der linken Außenbahn die Zukunft Leroy Sané gehört und auf der rechten Seite mit Julian Brandt und Thomas Müller zwei torgefährl­iche Spieler um einen Platz streiten, wird der Abgang Özils wohl kein allzu großes Loch reißen. Aber das wissen die Kritiker des Mittelfeld­spielers ja schon seit 12 Jahren.

 ?? Foto: Ina Fassbender, dpa ?? Mesut Özil war Mittelpunk­t des deutschen Spiels. Nach 92 Länderspie­len endet seine Karriere in der Nationalma­nnschaft. Offen ist noch, wer ihn im offensiven Mittelfeld beerbt.
Foto: Ina Fassbender, dpa Mesut Özil war Mittelpunk­t des deutschen Spiels. Nach 92 Länderspie­len endet seine Karriere in der Nationalma­nnschaft. Offen ist noch, wer ihn im offensiven Mittelfeld beerbt.

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