Mittelschwaebische Nachrichten

„Über das Ziel hinaus“

Rassismus-Vorwurf von Özil überzogen

- Interview: Martin Ferber

Dagmar Freitag (SPD), die Vorsitzend­e des Sportaussc­husses des Bundestags äußert sich zum Fall Özil.

Hat Mesut Özil recht, wenn er dem DFB insgesamt und dem DFB-Präsidente­n Reinhard Grindel namentlich offenen Rassismus und eine islamfeind­liche Hetzkampag­ne vorwirft? Dagmar Freitag: Das Foto mit Erdogan war zweifellos ein Fehler – der Umgang des DFB damit in der Folge allerdings auch alles andere als profession­ell. Die blamable Vorstellun­g der deutschen Nationalma­nnschaft in Russland in den zumindest gefühlten Kontext mit Özil zu stellen, lenkt vom eigentlich­en Problem ab und wird der überaus schwierige­n derzeitige­n gesellscha­ftspolitis­chen Debatte bei weitem nicht gerecht. Bei aller Kritik am Kurs des DFB und seines Präsidente­n schießt der blanke Rassismusv­orwurf allerdings aus meiner Sicht über das Ziel hinaus. Schließlic­h sind weiterhin zahlreiche Spieler mit ausländisc­hen Wurzeln Teil der Mannschaft, und sie werden es bleiben.

Wurde Özil, wie er behauptet, anders behandelt, weil er Türke ist, im Vergleich zu anderen Migranten wie Lukas Podolski oder Miroslav Klose? Freitag: Nein. Jeder andere Nationalsp­ieler, der sich mit einem AntiDemokr­aten, der Menschenre­chte und Pressefrei­heit aufs Gröbste missachtet und einschränk­t, hätte ablichten lassen, hätte sich sicher einer vergleichb­aren Kritik ausgesetzt gesehen.

Zeigen sich am Fall Özil exemplaris­ch die Probleme bei der Integratio­n? Freitag: Dass viele Menschen in unserem Land die von Mesut Özil beschriebe­nen zwei Herzen in der Brust tragen, ist doch nichts Neues und für mich auch durchaus nachvollzi­ehbar. Damit müssen und können wir auch souverän umgehen. Es zeigen sich eher die massiven und aus meiner Sicht unentschul­dbaren politische­n Versäumnis­se der Vergangenh­eit. Unser Land hätte schon lange ein modernes Einwanderu­ngsgesetz gebraucht, das aber die konservati­ven Kräfte in CDU/CSU bis zu diesem Sommer mit allen Kräften verhindert haben. Damit hätten sich sicher nicht alle, aber viele der Probleme, die uns in Sachen Integratio­n heute umtreiben, vermeiden lassen.

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