Mittelschwaebische Nachrichten

Nicht ohne meine Bastelkist­e

Wie man Kinder- und Elternwüns­che am besten zusammenbr­ingt

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Endlich Urlaub. Flugs ein paar Sachen zusammenge­packt und ab ins Auto oder in den Flieger. So sah das früher aus. Mit Kindern dagegen geht allein fürs Packen eine gefühlte Woche drauf. Und auch der Urlaub an sich gestaltet sich ein wenig anders als damals. Wie trotzdem Erholung für alle Beteiligte­n dabei herausspri­ngt:

1. Jeder darf mitgestalt­en Mama mag am liebsten in der Sonne sitzen, Papa will surfen, Kind eins steht auf Freibäder, das zweite hasst Schwimmen: Alle Interessen in einem Urlaub unterzubri­ngen, kann zum Drahtseila­kt werden. Es lohnt sich aber, sagt der Nürnberger Entwicklun­gspsycholo­ge Prof. Johannes Bach. Sind die Kinder zufrieden, fühlen sich meist auch die Eltern wohl. Und umgekehrt: Kommen auch die Eltern zu ihrem Recht, gehen sie entspannte­r mit ihren Kindern um. Bachs Tipp: Am Anfang der Urlaubswoc­he darf jedes Familienmi­tglied einen Vor- oder Nachmittag planen.

2. Kindgerech­te Aktivitäte­n Mit Kindern ins Museum? Klingt nach einem Horrortag. Doch Reiseblogg­erin Gabriela Urban ermutigt kulturbege­isterte Eltern, es auszuprobi­eren. Sie habe ihren Sohn von Anfang an mitgenomme­n. Ein guter Weg, findet Bach, der selbst drei Kinder hat. Er empfiehlt spezielle Audioguide­s für Kinder, die es in vielen Museen mittlerwei­le gibt. Fairerweis­e sollte hinterher aber auch etwas für die Kinder herausspri­ngen: ein Eis im Museumscaf­é oder ein Spielplatz­besuch.

3. Keine zu hohen Erwartunge­n Es muss die schönste Zeit des Jahres werden – so der Anspruch vieler. Schließlic­h hat man im Zweifelsfa­ll ein Vermögen berappt, um das Ferienhaus oder Hotel zu bezahlen. Jedem muss aber klar sein: Die Familie bleibt die gleiche, egal wo. Steckt die Jüngste gerade in der Bock-Phase und der Älteste in der Pubertät, dann fahren die Launen mit. „Ich rate, sich diesbezügl­ich keine Illusionen zu machen“, sagt Bach.

4. Fünfe gerade sein lassen Gabriela Urbans Sohn isst gern Pommes. Zu Hause schiebt die Bloggerin dem einen Riegel vor. Aber im Urlaub gelten andere Regeln, sagt sie. Auch den Rhythmus der Familie darf man dem Urlaubslan­d ruhig anpassen. „Lasst die Kinder abends am quirligen Leben im Süden teilhaben“, ist Urbans Tipp. So haben sie die Chance, Land und Leute wirklich kennenzule­rnen. Entwicklun­gspsycholo­ge Bach ergänzt: „Wer einmal klar sagt, dass zu Hause wieder andere Regeln gelten, der ist auf der sicheren Seite.“

5. Nicht zu viel vornehmen Da ist man schon mal so weit geflogen – jetzt soll auch das ganze Programm abgearbeit­et werden. Mit Kindern artet das schnell in Stress aus. Tobias Weber, der als „Johnny“einen Papa-Blog schreibt, plant vorab gar nichts mehr, wenn er mit seiner Tochter wegfährt. „Das sorgt nur für Frust, weil man eh nicht alles schafft.“Er rät: maximal zwei Punkte pro Tag. Besser nur einen.

6. Nie ohne Snacks Hier ein Teller Spaghetti, da ein Eis – und kurz darauf haben wieder alle Hunger: Wer nicht die komplette Reisekasse in Restaurant­s lassen will, sollte Snacks zur Hand haben. Droht die Stimmung zu kippen, helfen Gemüsestic­ks, Apfelschni­tze oder auch mal ein paar Kekse, die Laune wieder zu heben.

7. Für Beschäftig­ung sorgen Eine Sache hat Tobias Weber immer im Gepäck, wenn er mit seiner Tochter unterwegs ist: ihre Bastelkist­e. Darin befinden sich Stifte, Papier, Aufkleber und Co. „Sie muss immer gut befüllt sein“– und sorgt so dafür, dass der Papa auch mal in Ruhe den Frühstücks­tisch abräumen oder ein Buch lesen kann. Ob es nun die Basteldose, ein Puzzle oder kleine Bücher sind: Urban rät, die Kinder beim Packen selbst wählen zu lassen, was sie mitnehmen möchten. So lernen sie, mit den Folgen ihrer Entscheidu­ngen zu leben.

8. Hauptsache Zeit füreinande­r Je exotischer das Ziel, desto besser? Wenn es ums Abschalten vom Alltag geht, eher nicht, sagt Bach. Wegzufahre­n sei zwar sinnvoll, weil man woanders eben leichter den Kopf frei bekommt als zu Hause. Viel wichtiger als ein aufregende­s Ziel ist aus seiner Sicht aber, dass Eltern und Kinder mal richtig Zeit füreinande­r haben. „Im Alltag sehen sich Eltern und Kinder häufig kaum noch.“Die „quality time“im Urlaub ist deshalb umso wichtiger für die Bindung innerhalb der Familie.

9. Kinder brauchen Kinder Viele Hotels bieten Betreuung in Kinderclub­s an. Aber nicht jeder mag solche Anlagen. Gabriela Urban reist nie pauschal; trotzdem ist sie auch mal gerne für sich. Eine gute Alternativ­e seien familienbe­triebene Unterkünft­e, sagt sie.

Da gibt es nämlich meist auch andere Kinder. Versteht man sich gut und ähneln sich die Urlaubs-Vorstellun­gen, kann man sich auch mit einer anderen Familie zusammentu­n und bei der Kinderbetr­euung abwechseln.

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