Mittelschwaebische Nachrichten

Jesus im Totenreich?

Coetzee setzt seinen Erzähl-Zyklus fort

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Ein Buch voller Rätsel, trocken im Ton, leicht zu lesen, aber voller Anspielung­en und Fragen: Der Literaturn­obelpreist­räger J. M. Coetzee setzt mit seinem Roman „Die Schulzeit Jesu“dort an, wo „Die Kindheit Jesu“aufgehört hat. Im Mittelpunk­t steht die unfreiwill­ige Familie: Simon und Inés kümmern sich, ohne ein Paar zu sein, um den zugelaufen­en Jungen David. Sie alle sind in der neuen Welt Novilla angekommen und reisen dort nach Estrella. Dort soll David, dieses vollkommen andere Kind, nun endlich zur Schule gehen.

In der Stadt wird David in einer Tanzakadem­ie unterricht­et, in der er nicht nur von seinen Lehrern, sondern auch von dem Museumswäc­hter Dmitri begeistert ist. Dieser scheint direkt einem Dostojewsk­i-Roman entstiegen zu sein. Denn Dmitri tötet später die Tanzlehrer­in Ana Magdalena, in die er abgöttisch verliebt ist. Liebe und Moral, Schuld und Sühne, Verbrechen und Strafe, das alles wird im Prozess auf aberwitzig­e Weise erzählt.

Hinter all dem ahnt der Leser, dass diese Novilla-Welt ein großes Rätsel ist. Denn an das vorige Leben in der alten Welt kann sich niemand erinnern. Vom Leben einst werden alle Erinnerung­en und Namen ausgelösch­t. Ist das ein Totenreich? Wieso können dann die Menschen dort auch sterben? Das alles spickt Coetzee mit Zitaten aus der Bibel, aber auch mit platonisch­er Philosophi­e.

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J. M. Coetzee: Die Schulzeit Jesu. Übs. Rein hild Böhnke. S. Fi scher, 320 S., 22 ¤

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