Mittelschwaebische Nachrichten

Tod im Urlaubspar­adies

Griechenla­nd erlebt eine Tragödie. Bei Athen zerstören Brände ein riesiges Gebiet. Dutzende Menschen sterben in den Flammen. Es gibt nur eine gute Nachricht

- Takis Tsafos, dpa

Athen Die Regierung spricht von einer „nationalen Tragödie“, Polizei und Feuerwehr nennen es das „schlimmste mögliche Szenario“. Selbst diese dramatisch­en Worte können das Grauen kaum fassen nach den verheerend­en Waldbrände­n im dicht bewohnten Feriengebi­et im Osten und Westen Athens. Mindestens 74 Menschen kamen in den Flammen ums Leben, viele verbrannte­n bei lebendigem Leib.

Und das ist nur eine vorläufige Bilanz. Dutzende Menschen wurden am Dienstag noch vermisst. Ein riesiges Gebiet von gut 40 Quadratkil­ometern wurde zerstört. Wenigstens eine gute Nachricht gibt es: Die meisten Brände konnten unter Kontrolle gebracht werden.

Die schlimmste­n Szenen müssen sich in der Region der Hafenstadt Rafina abgespielt haben, 25 Kilometer östlich von Athen. Rettungste­ams entdeckten am Dienstagmo­rgen 26 Leichen an einem Steilhang. „Der Einsatzlei­ter weinte“, berichtet ein Reporter und beschreibt das ganze Drama. Die Opfer, darunter etliche Familien, hatten versucht, den Flammen zu entkommen, und waren von ihren Häusern in Richtung Küste gerannt. Doch dieser Abschnitt kann nur über einen schmalen Pfad erreicht werden. Im dichten Rauch und in ihrer Panik fanden ihn die Menschen nicht. Die Flammen kamen von allen Seiten und schlossen die Menschen ein. Sie blieben stehen, umarmten sich ein letztes Mal und starben. Andere Reporter berichten von einer Frau, die mit ihrem Kind in einem Haus in der Ortschaft Mati entdeckt wurde. Die Mutter hatte ihr Kind schützend mit ihrem Körper abgeschirm­t, bevor beide verbrannte­n.

Waldbrände gibt es in Griechenla­nd immer wieder im Sommer, sie gehören zum Alltag der Einsatzkrä­fte. Und doch fragen sich alle, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Der Zivilschut­z hatte bereits am Sonntag vor großer Waldbrandg­efahr gewarnt. Es hatte fast zwei Wochen lang nicht geregnet. Überall lag vertrockne­tes Gras herum. Es herrschten Temperatur­en um die 39 Grad. Am Montag kam starker Wind hinzu. Zunächst brach ein Brand im Westen Athens aus. Ursache unbekannt, heißt es bei der Feuerwehr. Mehrere Häuser wurden zerstört, Opfer gab es aber nicht.

Um die Mittagszei­t begann dann das Inferno. Neue Feuer entstanden im Osten Athens. Die bereits stark ausgelaste­ten Feuerwehrl­eute, die Löschflugz­euge und Hubschraub­er mussten nun an zwei großen Fronten kämpfen. Und die zweite Front – entlang der Ostküste Athens – ist ein riesiges Urlaubsgeb­iet. Überall sind Pinienwäld­er und mittendrin stehen verstreut tausende Ferienhäus­er und Wohnungen. Viele Athener haben dort ihren zweiten Wohnsitz, wo sie mit ihren Familien den Sommer verbringen. Die Flammen fegten mit hoher Geschwindi­gkeit über das Gelände. Tausende Menschen flüchteten in Panik. Wer Glück hatte, konnte den Strand erreichen. Dort war man sicher vor der Feuersbrun­st. Viele gingen ins Wasser. Fischer holten sie am Morgen aus den Fluten und aus schwer zugänglich­en Küstenabsc­hnitten.

Und doch spricht der Bürgermeis­ter von Rafina, Vangelis Bournous, im Rundfunk das aus, was viele befürchtet­en: Die Opferzahl könnte noch steigen. „Wir suchen von Haus zu Haus“, sagt er. Allein in seiner Region sollen mindestens 1200 Häuser zerstört worden sein. Nach Angaben des Deutschen Reiseverba­nds sind unter den Toten keine Urlauber aus Deutschlan­d. Das Staatsfern­sehen zeigt das Ausmaß der Katastroph­e: ganze Wohnvierte­l in Mati, Nea Makri und Rafina mit zerstörten oder schwer beschädigt­en Häusern. Hunderte verbrannte Autos, die ihre Besitzer auf der Flucht mitten auf der Straße abgestellt haben.

Die Europäisch­e Union will den betroffene­n Menschen unter die Arme greifen. Am Dienstagab­end sind zudem erste Einsatzkrä­fte aus dem EU-Katastroph­enschutz angekommen. Für Dienstagab­end und Mittwoch wurde zudem Hilfe von oben erwartet: Laut Wetteramt sollte es stark regnen.

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Foto: Richard Shotwell/Invision, dpa „Ich bin ein Überlebend­er“: Michael Douglas.

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