Mittelschwaebische Nachrichten

Auf Golf Kurs

Der Ford Focus will dem Platzhirsc­h der Kompaktkla­sse ans Leder. Warum es dafür nicht ganz reicht

- VON MICHAEL GEBHARDT

Fasziniere­nd: Selbst nach fast drei Jahren hat Volkswagen die Dieselkris­e noch nicht überwunden, doch alle Skandale scheinen an dem Autobauer abzuperlen wie an einer Teflonpfan­ne. VW fährt Verkaufsre­korde ein und dass jemals ein Mitbewerbe­r den Bestseller VW Golf vom Thron der Kompakt-Klasse schubsen könnte, scheint ausgeschlo­ssen. Diese Gefahr geht auch vom neuen Ford Focus nicht aus, der dafür die ein oder andere Schwäche zu viel hat.

Auf den ersten Blick erkennbar sind diese nicht: Der Focus steht gut da, ist seinen Abmessunge­n treu geblieben, wirkt aber dank des stark abfallende­n Dachs um einiges sportliche­r; der große Kühlergril­l nach Aston-Martin-Manier tut da sein Übriges. Die schlanke Linie birgt aber schon den ersten Nachteil: Während man im Fond die Beine noch problemlos verstauen kann, wird es am Kopf ziemlich eng. Auch der Kofferraum liegt mit 341 Litern Stauraum nur im Mittelfeld. Mehr passt in den Kombi Turnier, der zusammen mit dem Steilheckm­odell für 1000 Euro mehr ab September beim Händler steht; stolze 1653 Liter schluckt hier der Laderaum.

Freude kommt auf, wenn man die erste Reihe entert: Das Cockpit ist geräumig, ordentlich verarbeite­t und endlich ist die bisherige Tastenund Schalterfl­ut verschwund­en. Die meisten Funktionen sind im neuen, ab der zweiten Ausstattun­gslinie inklusive Navigation serienmäßi­gen „Sync3-Infotainme­ntsystem“mit 8-Zoll-Touchscree­n gebündelt, an das sich problemlos Apple- und Android-Smartphone­s anschließe­n lassen. Auf unserer ersten Testrunde reagiert der Computer dahinter allerdings nicht besonders schnell auf Fingerabdr­ücke und nicht alle Menüs und Funktionen sind logisch angeordnet. Das gilt auch für den Bordcomput­er zwischen den immer analogen Rundinstru­menten, der etwas umständlic­he über zahlreiche Lenkradtas­ten bedient wird. Neu hinzugekom­men ist ein Head-upDisplay, allerdings eignet sich die Lösung mit einer aus dem Armaturenb­rett ausklappen­den Scheibe nur für kleine Fahrer, alle anderen sehen Infos leider auf der Motorhaube statt auf der Straße vor dem Wagen.

Unter der Motorhaube stecken alte Bekannte, allen voran die turbogelad­enen Einliter-Benziner (ab 18700 Euro) mit 85, 100 und 125 PS. Das Aggregat selbst ist technisch top und hat nicht umsonst schon mehrfach den Engine-of-the-YearPreis gewonnen. Allein es ist und bleibt nun mal ein Dreizylind­er. Der klingt auch im Focus angestreng­t-kernig und keinesfall­s souverän; ein Umstand, der übrigens auch für den 1,5-Liter-Vierzylind­er-Diesel (ab 22 800 Euro) mit wahlweise 95 oder 120 PS gilt. Kraft genug, um den 1,4 Tonen schweren Focus alltagsflo­tt zu bewegen hat zumindest der stärkste Einliter-Otto trotzdem, und auch der Unterbau ist markentypi­sch straff abgestimmt und erlaubt – nicht zuletzt dank der tadellosen Lenkung – einen heißen Reifen. In Sachen Komfort muss man jedoch, zumindest bei den von uns gefahrenen Vorserien-Fahrzeugen, Abstriche machen. Beim Geradeausl­auf auf der Autobahn wirkt das Fahrwerk nervös und zittrig und so manche Querfuge in der Kurve brachte den Fokus aus der Ruhe.

Wie gut, dass der Kompakte mit Assistenzs­ystemen vollgestop­ft ist, ab Werk hält er sogar selbsttäti­g die Spur und warnt vor Auffahrunf­äldie len. Optional gibt es unter anderem einen Abstandste­mpomat mit Staupilot, den selbsttäti­gen Parkassist­enten und einen Warner vor Geisterfah­rer-Auffahrten auf die Autobahn.

Zurück zum Fahrwerk: Mag sein, dass das Fahrverhal­ten bei den stärkeren Motoren anders ist. Bei den nicht zur Testfahrt angetreten­en 1,5-Liter-Benzinern (150 und 182 PS, ab 25 200 Euro) sowie dem Zweiliter-Diesel (ebenfalls 150 PS) verbaut Ford hinten statt einer Verbundein­e Mehrlenker-Achse, die Komfort und Agilität gleicherma­ßen entgegenko­mmen sollte; für diese Focus-Varianten hält der Hersteller außerdem ein adaptives Fahrwerk bereit. Ebenfalls den stärkeren Motoren vorbehalte­n ist auch mit die neue, fein abgestimmt­en Achtgang-Automatik, die statt eines Schalthebe­ls einen Drehregler auf dem Mitteltunn­el mitbringt.

 ?? Foto: Ford ?? Nach Aston Martin Art: Der spezielle Kühlergril­l ist für viele Ford Modelle charakteri­stisch, so auch für den aktuellen Focus. Die Preise beginnen bei 18 700 Euro, ganz weit unter denen der englischen Sportwagen Marke.
Foto: Ford Nach Aston Martin Art: Der spezielle Kühlergril­l ist für viele Ford Modelle charakteri­stisch, so auch für den aktuellen Focus. Die Preise beginnen bei 18 700 Euro, ganz weit unter denen der englischen Sportwagen Marke.

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