Mittelschwaebische Nachrichten

„Wir genießen. Gruß, Otto“

Was auf Postkarten aus dem Urlaub steht

- Zeitung.

München Bedurfte es früher eines Beweises, dass man die Ferien auch wirklich am Gardasee verbracht hat oder in Lido di Jesolo und nicht am Baggersee ums Eck, schickte man eine Postkarte. Drauf stand dann: „Uns geht’s gut, Wetter super, Wasser klar, endlich richtige Spaghetti, Lire gehen aus“oder so ähnlich. Zack, Briefmarke drauf – danke, Poste Italiane! Die Karte kam garantiert drei Wochen nach Rückkehr aus dem Urlaub an, aber das war eingepreis­t. Und heute?

Stellt Sprachwiss­enschaftle­rin Josephine Obert einen Kulturwand­el fest. Etwa in dem Punkt: „Die Texte werden immer kürzer“, sagte die Forscherin von der Technische­n Universitä­t Dresden der Süddeutsch­en

Oder: Habe man das Wort „Genießen“in den 1920er bis 1950er Jahre kaum benutzt, werde es heute geradezu inflationä­r verwendet. „Da schreiben die Leute dann: ,Wir genießen den Urlaub in vollen Zügen.‘ So, als wollten sie sich noch mal schriftlic­h versichern, dass das auch wirklich stimmt.“

Die Postkarte steht unter wachsendem Druck durch Online-Dienste wie WhatsApp. 2017 beförderte die Post noch 195 Millionen Ansichtska­rten, 15 Millionen weniger als 2014. Laut einer Umfrage verschicke­n 51 Prozent der Deutschen ihre Grüße nur noch digital. Und inzwischen, sagt Obert, gleiche sich die handschrif­tliche Ausgestalt­ung der Urlaubsgrü­ße auf Postkarten auch den digitalen Textnachri­chten an. So würden immer mehr Smileys hinzugefüg­t. Warum dann überhaupt noch Postkarte? Obert sagt: „Man möchte dem Empfänger zeigen: Ich bin wirklich hier gewesen.“

Na also – wie früher.

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