Mittelschwaebische Nachrichten
Der zerrissene Urlauber
Selten ist der Mensch innerlich so zerrissen wie in den Tagen der Urlaubsplanung. Flug und Strandhotel sind schon fest gebucht, aber bei jedem Schritt in das eigene Gärtchen drängt sich die Frage auf: Sollte man sich die Reisestrapazen nicht lieber ersparen und die nächsten Wochen statt unter Palmen im Schatten des eigenen Essigbaums verbringen?
Doch sofort rührt sich der Weltgeist in der eigenen Brust. Willst du, so fragt er, dein ganzes Leben zu Hause festkleben? Wie dumm wirst du dastehen, wenn deine Freunde von ihren abenteuerlichen Erlebnissen an exotischen Stränden erzählen!
So gelangt der Reiseunlustige zur Überzeugung, dass ein Zurück nicht mehr möglich ist.
Tatsächlich wird er mit nur leichter Verspätung ans Traumziel transportiert. Dort schwimmt und trinkt er viel, denkt dabei aber unentwegt an sein unbewachtes Häuschen in der Heimat und an viele gelesene Polizeiberichte. Schließlich fiebert er dem Tag des Rückflugs entgegen und träumt von gemütlichen Abenden ohne Passat, Monsun und badende Völkerscharen.
Am meisten aber freut er sich auf die Gelegenheit, allen Bekannten zu erzählen, wie großartig sein Urlaub in der Ferne war. Da kann es allerdings passieren, dass er mit seinen Freunden das erlebt, was Rilke in „Geschichten vom lieben Gott“geschildert hat: „Sie verbrachten den Abend damit, ... sich Reiseabenteuer ... mitzuteilen, ihre Geschichten wurden immer kürzer und wörtlicher, und endlich blieben noch ein paar Witze übrig, mit denen sie beständig hin und her warfen.“