Mittelschwaebische Nachrichten

Warum der Handelsstr­eit noch nicht beendet ist

Immerhin: Den großen Knall haben USA und EU vermieden. Doch es bleiben Fragezeich­en

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Nach all den Drohungen und Schuldzuwe­isungen der vergangene­n Wochen scheint der Handelsstr­eit zwischen den USA und der Europäisch­en Union erst mal entschärft zu sein. Richtige Euphorie wollte am Tag nach der überrasche­nden Einigung zwischen EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump aber nicht aufkommen. Zu sehr hat das Vertrauen in die Verlässlic­hkeit der Amerikaner gelitten, zu viele Fragen sind noch offen. Fakt ist: Amerikaner und Europäer wollen sich nicht weiter bekämpfen, sondern über den Abbau von Handelsbar­rieren verhandeln. Die Strafzölle auf europäisch­e Autos, vor denen vor allem die deutsche Wirtschaft zittert, sind zwar nicht vom Tisch. Trump versichert­e aber, er werde nichts unternehme­n, solange die Gespräche laufen.

Die USA sind der mit Abstand wichtigste Handelspar­tner für Bayern. Auch für unsere Region steht viel auf dem Spiel. Allein in Schwaben hängen rund 60 000 Arbeitsplä­tze mehr oder weniger direkt von der Autoindust­rie ab. Dazu kommt der Audi-Standort in Ingolstadt. Jana Lovell, die bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben für die internatio­nalen Märkte zuständig ist, bleibt trotz des Durchbruch­s von Washington vorsichtig: „Wenn man die Halbwertsz­eit von Vereinbaru­ngen des US-Präsidente­n anschaut, dann habe ich schon immer noch Restzweife­l.“Der Expertin macht vor allem die durchaus aggressive Verhandlun­gstaktik der Amerikaner Sorgen. „Es ist sehr schade, dass sie offenbar mit der Strategie erfolgreic­h waren, mit maximalem Druck Gesprächsb­ereitschaf­t zu erzwingen“, sagt Lovell.

Die Ergebnisse des Spitzentre­ffens werden durchaus unterschie­dlich interpreti­ert. Die Kanzlerin lobt „die Verabredun­g zu einem konstrukti­ven Vorgehen beim Handel“ und ihr Wirtschaft­sminister Peter Altmaier twittert erleichter­t: „Zölle runter, nicht rauf! Freier Handel und Millionen Jobs gesichert!“Nicht ganz so zuversicht­lich reagiert der SPD-Politiker Bernd Lange. Der Chef des Außenhande­lsausschus­ses im Europaparl­ament hält die EU für „geschwächt“und warnt, dass Trump sein „Drohpotenz­ial“nicht aufgegeben hat, was die Autozölle angeht. Auch die deutsche Wirtschaft bleibt skeptisch. „Von Verhandlun­gen auf Augenhöhe sind wir noch entfernt“, sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags, Eric Schweitzer. In Frankreich fallen die Reaktionen sogar noch

„Eine gute Handels diskussion darf nicht unter Druck geführt werden.“Frankreich­s Wirtschaft­sminister Le Maire

verhaltene­r aus. „Eine gute Handelsdis­kussion kann nur auf klaren Grundlagen erfolgen und darf nicht unter Druck geführt werden“, stellt Finanz- und Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire klar. An den Finanzmärk­ten ist die Stimmung trotzdem gut. Vor allem die Aktien von Autobauern wie Volkswagen und BMW legen deutlich zu. Selbst Daimler profitiert­e – obwohl das Unternehme­n am Donnerstag sinkende Gewinne vermeldete.

Ob nun wirklich Ruhe in dem Dauerkonfl­ikt einkehrt, muss sich erst zeigen. Unklar bleibt nicht nur Trumps Rolle, sondern auch die Frage, wie die Europäer Junckers Zusage, mehr Soja und Flüssiggas aus Amerika zu importiere­n, umsetzen wollen. Hier wird der Kommission­schef noch Überzeugun­gsarbeit leisten müssen. Im Leitartike­l erklärt Stefan Stahl, warum Juncker Europa noch nicht gerettet hat. In der Politik schreibt Detlef Drewes über den erfahrenen Europapoli­tiker, der in Washington mehr herausgeho­lt hat, als ihm viele zugetraut hatten.

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