Mittelschwaebische Nachrichten

Juncker erweist sich als Trump-Flüsterer

Zwar hat der Europäer bei seinem Treffen mit dem Amerikaner einen Überraschu­ngscoup gelandet. Nun aber müssen seine Zusagen auch eingelöst werden

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Manchmal ist es schade, dass es nicht die Vereinigte­n Staaten von Europa gibt, mit einer Person an der Spitze, die wirklich für den alten Kontinent sprechen kann. Hätte sich der Traum glühender Europäer erfüllt, bestünde Grund zur Euphorie. Dann könnte EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker darauf bauen, dass all seine Europäer den „großen Deal“, wie Donald Trump ihn nennt, mittragen.

Doch es dauerte nicht lange, als nach dem überrasche­nden Handels-Friedenssc­hluss zwischen Trump und Juncker Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire in Paris Klärungsbe­darf anmeldete. In Frankreich werden schließlic­h auch Sojabohnen angebaut. Und Juncker hat den US-Präsidente­n – wohl ohne dafür ein bis in die letzten europäisch­en Wichtigtue­r-Verwurzelu­ngen gehendes Mandat zu haben – eben mit Soja geködert. Was hierzuland­e als Peanuts gelten mag, ist in den USA und vor allem im landwirtsc­haftlichen Trump-Country ein überlebens­wichtiges Thema. Viele Bauern bauen das Produkt an. Die USA sind der größte Sojabohnen­Hersteller der Welt. Dabei gingen große Mengen des Agrarguts bisher nach China. Weil Trump aber den Handelskon­flikt mit dem Land leichtfert­ig eskalieren ließ, drehten die mit Strafzölle­n in die Enge getriebene­n Herrscher in Peking den Spieß um und konterten mit hohen Abgaben auf US-Sojabohnen.

Das wiederum ließ so manche Trump-Wähler am ökonomisch­en Verstand ihres Idols zweifeln und sorgtefürU­nmutinderR­epublikani­schen Partei. Amerikanis­che SojaBauern werden schließlic­h hohe Einbußen erleiden. Den Zusammenha­ng hat der Verhandlun­gsFuchs Juncker durchschau­t. Als ihm Trump in Erpresserm­anier die Pistole auf die Brust setzte, indem er hohe Zölle auf Auto-Importe aus Europa androhte, machte der Europäer die Sojabohne zur eigenen Waffe. Er versprach seinem Gegenüber trickreich, Europa werde reichlich davon aufkaufen. Juncker hat Trump also mit seinen Mitteln geschlagen. Anders gesagt: Trump hat nun seinen Juncker gefunden.

Das allein ist eine Meisterlei­stung. Viele, die sich zuletzt über den großen Europäer wegen seines angebliche­n schwankend­en Gangs lustig gemacht haben, müssen nun eingestehe­n: Der Washington­er Waffenstil­lstand mit Wangenküss­chen ist vor allem das Verdienst des Luxemburge­r Charmeurs. In seiner kumpelhaft­en Art muss er den richtigen Ton getroffen haben.

Als guter Psychologe und Trump-Flüsterer ließ Juncker rasch durchblick­en, „einen Deal machen zu wollen“. Auf den Begriff ist der amerikanis­che Geschäftem­acher konditioni­ert. Der Deal lautete nun vereinfach­t: Sojabohnen gegen Autos. So darf es nicht nur bei Trumps Wangenküss­chen für Juncker bleiben, auch die deutschen Autobosse müssten den Europäer abbusseln. Denn der Kommission­spräsident hat sich als bester US-Lobbyist für Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW erwiesen. Immerhin können heimische Konzernlen­ker zunächst ohne Strafzölle kalkuliere­n. Es besteht sogar die Chance, dass generell zwischen Europa und den USA Handelsbar­rieren wegfallen. Selbst ein Freihandel­sabkommen light, auch wenn es nicht mehr TTIP heißt, scheint zumindest möglich zu sein.

Doch noch sind keine Verträge unterschri­eben. Noch können die Nicht-Vereinigte­n Staaten von Europa wieder alles zerreden, so lange bis Trump dann twittert: „Juncker ist mein bester Freund. Europa bleibt aber mein größter Feind!“Damit es nicht so weit kommt, bedarf es einer deutsch-französisc­hen Allianz. Angela Merkel und Emmanuel Macron müssen jetzt alles daransetze­n, dass Europa wirklich amerikanis­che Sojabohnen kauft. Das sind sie Super-Juncker mehr als schuldig.

Juncker ist der beste Lobbyist für Audi, BMW und VW

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