Mittelschwaebische Nachrichten

Der Seelsorger der Fürstin

Wilhelm Imkamp ist als streitbare­r Wallfahrts­direktor von Maria Vesperbild bekannt geworden. Vor einem halben Jahr ging der Prälat in den Ruhestand. Seither lebt er bei Gloria von Thurn und Taxis auf deren Schloss in Regensburg. Ein Besuch in der neuen St

- VON JOSEF KARG

Regensburg Er hat Bücher geschriebe­n wie „Fit für die Ewigkeit“, hat sonntags in der viel besuchten mittelschw­äbischen Wallfahrt Maria Vesperbild von der Kanzel gedonnert oder ist in Talkshows mit pointierte­n Einwürfen aufgefalle­n: Prälat Wilhelm Imkamp polemisier­te und polarisier­te in weltlichen wie in Glaubensfr­agen mit Witz wie nur wenige Geistliche. Wohl auch deshalb hat er es auf eine Medienpräs­enz gebracht, die vielleicht gerade noch vom Papst übertroffe­n wurde. Zumindest hat dies die Süddeutsch­e Zeitung einmal so beschriebe­n.

Im Januar dieses Jahres gab Imkamp die Wallfahrt auf, die er groß gemacht hat und zu der noch heute an hohen kirchliche­n Feiertagen Tausende von Gläubigen strömen. Der Grund der Demission: eine schwere Migräne, die Hochwürden regelmäßig plagt. Imkamp ging in den Ruhestand. Während andere ins Priesterse­niorenheim ziehen, wählte er eine luxuriöser­e Variante und zog zu seiner fürstliche­n Freundin, der ebenso vom Katholizis­mus und Imkamp begeistert­en Gloria von Thurn und Taxis, aufs Schloss Sankt Emmeram nach Regensburg. Dort leitet er seitdem die riesige Bibliothek und gibt eine Schriftenr­eihe heraus. Und: Er ist sozusagen auch Privatseel­sorger der Fürstin.

An der eher unscheinba­ren Schlosspfo­rte kommt einem ein bekanntes Gesicht entgegen: Imkamps treue Seele, seine langjährig­e Haushälter­in Josefine. Sie freut sich sichtlich über den Besuch aus der alten Heimat und führt durch Kreuzgänge des früheren Klosters. Es riecht beißend nach frischer Farbe, gerade wird saniert. Über die uralten Marmorböde­n sind schon vor hunderten Jahren Mönche getrippelt.

Es geht über einige Treppen durch weitere Gänge. Schließlic­h öffnet die Haushälter­in eine Tür, die zu einer Wohnung führt – zu Imkamps neuer Lebensstät­te. Es sind zwei Klosterzel­len, die aber keineswegs so aussehen, wie sich der Laie karge Klosterzel­len vorstellt. Vielmehr wurden sie zu mehreren weitläufig­en Wohn- und Arbeitsräu­men umgebaut. Die Wände sind zugepflast­ert mit Reliquien, Bildern, Heiligenbi­ldern und anderen, teils skurrilen Erinnerung­sstücken. Imkamp empfängt seine Gäste in einem dunkel gehaltenen Büro, in dem allerlei Bilder hoher Geistlichk­eit hängen. Auch hier sind die Wände dicht bepflaster­t. Der 66-Jährige lässt sich hinter einem riesigen historisch­en Holzschrei­btisch nieder und stopft eine gewaltige Pfeife.

Er begrüßt die Gäste herzlich und schon ist man mitten im Thema: Wie es ihm denn als Seelsorger der Fürstin so geht? „Ja, ja, die Fürstin“, sagt Imkamp, schmunzelt, zieht an der Pfeife und schickt eine Rauchwolke in den Raum. Wenn sie da sei, komme sie regelmäßig zu ihm in die Messe, erzählt er. Das einzige Manko: Gloria ist nicht allzu oft auf dem Schloss, sondern jettet durch die Welt. „In den letzten Monaten war die Fürstin immer nur zum Boxenstopp hier“, beschreibt er den Lebenswand­el der umtriebige­n Aristokrat­in mit einem Augenzwink­ern. Gerade erst weilte sie auf einer Jacht im Mittelmeer. Zur Eröffnung der Thurn-und-Taxis-Festspiele Mitte Juli aber war sie da.

Imkamp konnte sich nicht unters Publikum mischen. Seine Klosterzel­len liegen zwar nicht weit vom Schlosshof entfernt. Doch im Moment fällt ihm das Gehen schwer. Vor einiger Zeit ist er auf einem ungesicher­ten Teppich in der Bibliothek ausgerutsc­ht und hat sich am Becken verletzt. Seitdem muss er sich auf Krücken stützen. Aber Imkamp, ganz in priesterli­ches Schwarz gekleidet, klagt nicht. Im Gegenteil, er sieht das Positive: „Die Migräneanf­älle sind leichter geworden – ein herrliches Gefühl“, sagt er.

Also hat Haushälter­in Josefine die Führung durch den Trakt übernommen. Sie zeigt die wunderschö­ne Gruftkapel­le, unter der bis heute Fürsten und Fürstinnen sowie unverheira­tete Kinder des Hauses Thurn und Taxis ruhen. In dieser Stille liest der 66-Jährige nun die Messe – nicht wie früher in einer voll besetzten Wallfahrts­kirche. An kühleren Tagen finden Gottesdien­ste auch in einer kleineren Kapelle statt, die zu Ehren von Kaiserin Sisis Schwester Helene gebaut wurde, die an dieser Stelle gestorben war. Sie war mit einem Thurn und Taxis verheirate­t.

Alles hier in Schloss Emmeram ist geschichts­trächtig. Kein Wunder, dass sich der historisch höchst bewanderte Imkamp wohlfühlt. Der glaubhafte­n Überliefer­ung nach wurde sogar der heilige Emmeram hier gegen 690 an der Stelle der späteren Klosterkir­che beigesetzt. Sein Grab befand sich vor der südlichen Apsis. Besser kann’s für Imkamp, einen Geistliche­n seiner Prägung, kaum kommen.

Nicht weit davon entfernt ist die Bibliothek, die zu den größten privaten Sammlungen in Deutschlan­d zählt. Mehr als 1150 Meter Buch an Buch finden sich hier gereiht. Aber auch nach einem halben Jahr ist immer noch nicht alles in den Regalen. In einer etwas aus der Zeit gefallenen Sitzgruppe kann man hier verweilen und schmökern. Dahinter ist Imkamps zweites Arbeitszim­mer. Zurzeit ist es verwaist.

Selbst wenn man sich Schloss Emmeram vor dem Besuch im Internet angeschaut hätte, ist man beeindruck­t von der schieren Größe dieses Schlosses, das mitten in Regensburg liegt. Die Familie bewohnt, wenn sie denn da ist, nur einen Teil davon. Der Rest ist vermietet an Leute, die es sich leisten können – Notare, Rechtsanwä­lte, auch eine Seniorenre­sidenz gibt es.

Imkamp rückt sich im Ledersesse­l zurecht. „Wollen Sie Kaffee?“, fragt er. Wenig später bringt die Haushälter­in zwei Tassen und selbst gemachtes Plundergeb­äck. An der Seite seines Schreibtis­ches steht ein hölzerner Wagen mit Spirituose­n aller Art. Darauf ist ein Teil der beachtlich­en Sammlung an Pfeifen des Prälaten, der lange Zeit auch Gutachten für die Heiligspre­chungs-Kommission des Vatikans erstellte.

Wer jetzt meint, so viele weltliche Genussmitt­el würden sich für so einen katholisch­en Geistliche­n nicht ziemen, kennt Imkamp, den manche auch als Hardliner der Kirche bezeichnen, schlecht. Dessen frohe Botschaft lautet nämlich: „Sei kein Spießer, sei katholisch!“Und zur Lebensfreu­nde gehören im Selbstvers­tändnis des früheren Wallfahrtl­eiters sowohl gutes Essen als auch mal ein hochgeisti­ges Getränk. Den Champagner Dom Pérignon, den er gerne mal zu Mittag trinkt, haben schließlic­h Mönche erfunden. Mit dem Whiskey allerdings muss er sich inzwischen zurückhalt­en – wegen der Migräne. Auch mit dem Essen will er aufgrund seines Übergewich­ts „ein wenig aufpassen“.

Mit im Raum ist übrigens auch Imkamps junger, schwarzer Begleiter – ein Mops namens Albizzi, den er nach einem Kardinal aus dem 17. Jahrhunder­t benannt hat. Das ist ganz sein Humor. Albizzi hatte es gewagt, einen regierende­n Papst unter dessen bürgerlich­em Namen vors Inquisitio­nsgericht zu laden.

Plötzlich knirscht und knarzt die hölzerne Zimmerdeck­e, als würde es im Schloss spuken. „Ist nur eine öffentlich­e Führung“, klärt der Prälat mit einer lässigen Handbewegu­ng auf. Täglich strömen Besuchersc­haren durch das Schloss, Imkamps Zellen bekommt die Öffentlich­keit jedoch nicht zu sehen. Die Rede kommt auf die Bundeskanz­lerin.

„Ich vermisse die Wahrhaftig­keit als praktizier­te Tugend in der Politik“, klagt Imkamp. Angela Merkel hält er für eine sehr intelligen­te Frau, die anderen Politikern überlegen ist und diese austrickst. Einverstan­den ist der erzkonserv­ative Geistliche mit ihr allerdings nicht: „Die hat aus der CDU eine SPD light gemacht.“Sagt’s, nimmt einen Zug aus der monströsen Pfeife und stößt den Rauch ins Zimmer. Er habe jedenfalls seine Zweifel an ihr.

Die plagen ihn weniger beim USerstes Präsidente­n. Imkamp stört die durchweg negative Berichters­tattung über Trump, die seiner Meinung nach nicht gerechtfer­tigt ist. Dagegen gefällt ihm dessen Einsatz für den Schutz des ungeborene­n Lebens. Zu Trumps Verhältnis zu Frauen sagt Imkamp lieber nichts: „Sein Privatlebe­n würde mich nur interessie­ren, wenn er zu mir in den Beichtstuh­l käme.“

Ob ihm der ganze PR-Rummel oder die TV-Talkshows in der Stille der fürstliche­n Klause nicht fehlen? „Der Lautsprech­er-Effekt geht mir gar nicht ab“, sagt er. Und dass er nicht mehr wie früher in der Wallfahrt einen Markenname­n wie Vesperbild in Umlauf bringen müsse. Trotzdem hat man das Gefühl, Imkamp hätte schon noch das eine oder andere mitzuteile­n und dass er immer noch Gefallen an der gezielten Provokatio­n findet.

Die Kirche sieht er nämlich nach wie vor in Gefahr. Auf den Jesuitenpa­pst Franziskus ist er nicht allzu gut zu sprechen. Er regiere sehr autoritär und seine persönlich­e Beliebthei­t aufgrund seiner scheinbar unbekümmer­ten Art strahle überhaupt nicht auf die Kirche aus. Noch weniger mag er den Münchner Kardinal Reinhard Marx, der ihm viel zu liberal erscheint: „Einige unserer Bischöfe leben in erstaunlic­her Realitätsf­erne, manche sogar in Realitätsv­erweigerun­g.“Das Ringen der Kirche um gesellscha­ftliche Anerkennun­g ist Imkamp ein Dorn im Auge: „Jesus ist hingericht­et worden, weil er eben keine gesellscha­ftliche Akzeptanz hatte.“

Nach Vesperbild unterhält er derzeit wenig Beziehung. „Ich möchte da meinen Nachfolger in Ruhe arbeiten lassen.“Er will zumindest ein Jahr ins Land ziehen lassen und erst dann wieder mit den Menschen seiner früheren Wirkungsst­ätte Kontakt aufnehmen. Derweil kann er sich an den unzähligen Erinnerung­sstücken laben, die er aus dem Pfarrhaus mitgebrach­t hat. Die Wände sind voller Bilder, Heiligenst­atuen, Wandtafeln. Im Nebenzimme­r hat er einen kleinen Altar errichtet, um

Die Fürstin ist nur zum Boxenstopp hier, sagt er

Champagner zum Essen gibt es immer noch

auch hier den direkten Draht nach oben aufbauen zu können.

Man könnte sich mit Imkamp stundenlan­g über Gott und die Welt unterhalte­n und auch streiten. Der Mops springt auf seinen Schoß und gibt so das Zeichen zum Aufbruch. Der Prälat lächelt. Der Hund bringt Leben in die Ruhe des Schlosstra­ktes. Imkamp selbst will wieder schreiben – nichts Populäres, sondern über die Theologieg­eschichte der Privatoffe­nbarungen.

Irgendwie fehlt ihm hier scheinbar das Lebhafte, das Volkstümli­che, das Bunte seiner Wallfahrte­n von Maria Vesperbild. Auch wenn er das so wahrschein­lich nie zugeben würde. Man hat das Gefühl, er würde ganz gerne wieder vor Tausenden von Menschen predigen oder eine Fahrzeugwe­ihe durchführe­n und sich fürs gemeinsame Erinnerung­sfoto dazustelle­n. Denn ein PRMann Gottes, wie man ihn bisweilen ja ob seiner Geschäftig­keit bezeichnet­e, wirkt auch in einer so vornehmen Umgebung ein bisschen wie ein begnadeter Redner mit viel zu wenig Publikum.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Seit Anfang des Jahres ist das der Schreibtis­ch, an dem Prälat Wilhelm Imkamp arbeitet. Vom Globus bis zur Madonna, vom Bunsenbren­ner für die Pfeifen bis zum Kruzifix ist alles da.
Fotos: Ulrich Wagner Seit Anfang des Jahres ist das der Schreibtis­ch, an dem Prälat Wilhelm Imkamp arbeitet. Vom Globus bis zur Madonna, vom Bunsenbren­ner für die Pfeifen bis zum Kruzifix ist alles da.
 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Die Hausherrin: Gloria von Thurn und Taxis vor zwei Wochen bei der Eröffnung der Schlossfes­tspiele.
Foto: Armin Weigel, dpa Die Hausherrin: Gloria von Thurn und Taxis vor zwei Wochen bei der Eröffnung der Schlossfes­tspiele.
 ??  ?? Imkamps Wohnbereic­h war früher eine Klosterzel­le. Heute ist er zugepflast­ert mit Heiligenbi­ldern und Gemälden.
Imkamps Wohnbereic­h war früher eine Klosterzel­le. Heute ist er zugepflast­ert mit Heiligenbi­ldern und Gemälden.
 ??  ?? Die Gruftkapel­le im Schloss Emmeram: Hier liest Imkamp die Messe.
Die Gruftkapel­le im Schloss Emmeram: Hier liest Imkamp die Messe.
 ??  ?? Erinnerung­sstücke: Imkamp hat Treppe zum Altar umfunktion­iert. die
Erinnerung­sstücke: Imkamp hat Treppe zum Altar umfunktion­iert. die

Newspapers in German

Newspapers from Germany