Mittelschwaebische Nachrichten

Sturm auf die Exklave Ceuta

600 Migranten klettern über den sechs Meter hohen Stacheldra­htzaun

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Nun wächst auch der Migrations­druck auf Spaniens Nordafrika-Exklaven. Am Donnerstag­morgen stürmten annähernd 1000 Flüchtling­e und Migranten den Grenzzaun Ceutas. Rund 600 schafften es in die spanische Nordafrika-Exklave, die von marokkanis­chem Territoriu­m umgeben ist. Die meisten stammen aus den armen schwarzafr­ikanischen Ländern südlich der Sahara. Mehr als 130 Menschen wurden beim Überwinden des sechs Meter hohen Stacheldra­htzauns verletzt. Zudem erlitten 22 spanische Polizisten Verletzung­en, als sie versuchten, die Migranten an der Grenze zu stoppen.

Es war nach Angaben der spanischen Sicherheit­skräfte der größte Ansturm auf die Grenze, den die Stadt an der nordafrika­nischen Küste in den letzten Jahren erlebt hat. Die Migranten seien im Morgengrau­en auf marokkanis­cher Seite aufgetauch­t und hätten gleichzeit­ig an verschiede­nen Stellen den Doppelzaun überwunden. Sie seien mit Zangen und batteriebe­triebenen Kreis-Metallsäge­n ausgerüste­t gewesen, um Löcher in den Zaun zu schneiden.

Spaniens Polizei sprach von einer der „gewaltsams­ten Attacken auf den Grenzzaun“, die man bisher erlebt habe. Die Migranten hätten die Grenzwächt­er mit Steinen und anderen Objekten angegriffe­n. Zudem seien die Polizisten mit Löschkalk beworfen worden, der eine ätzende Wirkung hat. Den offizielle­n Angaben zufolge haben marokkanis­che und spanische Grenzpoliz­isten trotzdem hunderte Migranten daran gehindert, die Grenze zu überwinden. Zudem seien, wie spanische Medien berichtete­n, etliche jener Menschen, die über den Zaun gekommen seien, umgehend wieder auf marokkanis­ches Territoriu­m zurückbefö­rdert worden.

Für diese sogenannte­n „heißen Abschiebun­gen“Richtung Marokko benutzt Spaniens Grenzpoliz­ei kleine Türen im Zaun. Diese Praxis ist umstritten, weil die Abgeschobe­nen bei solchen Express-Abschiebun­gen keine Möglichkei­t haben, Asyl zu beantragen. Die Grenzpoliz­ei argumentie­rte bisher, dass die Flüchtling­e erst wirklich auf spanischem Boden seien, wenn sie auch an den Grenzbeamt­en vorbeikomm­en.

Jubelnd und in großen Gruppen rannten die erfolgreic­hen Zaunspring­er zum Aufnahmela­ger, das mehrere Kilometer vom Grenzzaun entfernt im Norden der Stadt liegt. Am Zaun und auf der Straße blieben hunderte Schuhe und blutversch­mierte Kleidungss­tücke zurück, die sie verloren oder unterwegs wegwarfen. Obwohl viele von ihnen beim Überwinden des Stacheldra­htzaunes Schnittver­letzungen erlitten, zeigten sie sich glücklich, Europa erreicht zu haben.

Unterdesse­n kamen auch an der südspanisc­hen Festlandkü­ste in den letzten Tagen hunderte Migranten in Booten an. Allein seit dem Wochenende wurden mehr als 2000 Boatpeople in Südspanien registrier­t. Seit Jahresbegi­nn kamen an der spanischen Festlandkü­ste und den beiden Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla mehr als 23 000 Migranten an – deutlich mehr als in Italien, wo die Zahl der Ankünfte stark zurückgeht. „Wir verwandeln uns in das neue Lampedusa“, warnte der Bürgermeis­ter der südspanisc­hen Stadt Algeciras, José Ignacio Landaluce. Lampedusa war auf dem Höhepunkt der italienisc­hen Flüchtling­skrise das Hauptziel der von Nordafrika kommenden Boote.

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Foto: Imago Ein Sicherheit­sbeamter redet mit den Flüchtling­en in Ceuta.

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