Mittelschwaebische Nachrichten

Reise in die Vergangenh­eit

An eine Wiedervere­inigung des geteilten Koreas ist noch nicht zu denken. Aber immerhin stehen die Zeichen nach vielen Monaten der Kriegsrhet­orik auf Entspannun­g. Was kann der deutsche Außenminis­ter dazu beitragen?

- Michael Fischer und Dirk Godder, dpa

Panmunjom Von Entspannun­g ist in Panmunjom noch nicht viel zu spüren. Die nordkorean­ischen Grenzsolda­ten marschiere­n bei der Wachablösu­ng immer noch im Stechschri­tt. Die Südkoreane­r stehen ihnen weiterhin wenige Meter entfernt mit geballten Fäusten gegenüber und tragen Sonnenbril­len, um direkten Blickkonta­kt mit dem „Feind“zu vermeiden. An diesem Freitag jährt sich das Ende des Korea-Kriegs zum 65. Mal, aber es gibt immer noch keinen Frieden zwischen dem kommunisti­schen Norden und dem westlich orientiert­en Süden des Landes. Nur einen Waffenstil­lstand.

Aber es gibt Hoffnung, seitdem sich hier in Panmunjom zwischen den blauen Grenzbarac­ken die Präsidente­n beider koreanisch­er Staaten vor drei Monaten die Hände gereicht haben. Kim Jong Un betrat als erster nordkorean­ischer Staatschef seit dem Krieg den Süden. Es folgten ein weiteres Treffen der beiden Präsidente­n in Panmunjom und der historisch­e Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump in Singapur, mit einem „festen und unerschütt­erlichen Bekenntnis“Kims zu einer umfassende­n atomaren Abrüstung. Um sich ein Bild vom Stand dieses Annäherung­sprozesses zu machen, besucht am Donnerstag Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) das südkoreani­sche Seoul und die 241 Kilometer lange und vier Kilometer breite entmilitar­isierte Zone. Für ausländisc­he Politiker gehört der Ausflug in das nur 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Grenzgebie­t zum Standardpr­ogramm.

Maas ist zum ersten Mal hier. Als er die Grenzbarac­ke genau auf der Demarkatio­nslinie am 38. Breitengra­d betritt, drückt ein nordkorean­ischer Soldat eine Kamera von außen auf die Fenstersch­eibe, um ihn zu filmen. Das ist normal bei prominente­n Gästen, Maas ist vorgewarnt. Trotzdem beschreibt er das Erlebnis später als „skurril“. Ein Besuch in Panmunjom hat für einen deutschen Politiker immer etwas von einer Zeitreise in die Vergangenh­eit. „Es ist schon bemerkensw­ert, wenn man Dinge, die man seit über 28 Jahren hinter sich gelassen hat in einem Land in Europa, hier noch einmal sieht – und das in so einer so aktuell aufgewühlt­en Situation“, sagt Maas. Mit allzu euphorisch­en Einschätzu­ngen zur innerkorea­nischen Entspannun­g hält sich Maas zurück. „Dafür gab es in der Vergangenh­eit viel zu viele Verstöße gegen das Völkerrech­t und viel zu viele Enttäuschu­ngen“, sagt er mit Blick auf Nordkorea.

Aber er bietet auch deutsche Hilfe an. Man könne die Erfahrunge­n einbringen, die man in den Verhandlun­gen über das Abkommen zur Verhinderu­ng der iranischen Atombombe gesammelt habe. Und dann ist da natürlich die deutsche Wiedervere­inigung. Die Erfahrunge­n damit werden sowohl in Nord- als auch in Südkorea schon lange mit Interesse studiert. Das Resultat fällt allerdings nicht nur positiv aus. Viele junge Südkoreane­r sind skeptisch, wenn sie auf die deutsche Einigung blicken. Vor allem die hohen Kosten, die der Vereinigun­gsprozess mit sich brachte, macht ihnen Sorge. Wie sehr der südkoreani­schen Regierung die spezifisch­en Kenntnisse Deutschlan­ds am Herzen liegen, spiegelt die Einrichtun­g bilaterale­r Expertengr­emien. So wurde 2011 ein Ausschuss ins Leben gerufen, um die inneren Aspekte der Vereinigun­g genauer zu analysiere­n. Das Gremium trifft sich nach wie vor. Später kam eine weitere Expertengr­uppe zu den außenpolit­ischen Aspekten der Wiedervere­inigung hinzu, die ihre Arbeit inzwischen beendet hat.

Ob Kim Dae Jung, Park Geun Hye oder Moon Jae In: Diese drei südkoreani­schen Staatschef­s haben jeweils zu ihren Amtszeiten bewusst einen Besuch in Deutschlan­d gewählt, um ihre Vorstellun­gen von einer friedliche­n Wiedervere­inigung, wenn zum Teil auch in unterschie­dlicher Form, darzulegen.

In Nordkorea sind vor allem deutsche Fachkenntn­isse gefragt.

Interesse an deutscher Wiedervere­inigung

Der Hunger nach Bildung und Wissenscha­ft ist dort trotz – oder gerade wegen – der rigiden staatliche­n Kontrolle sehr groß. Aber auch die Regierung hat großes Interesse an deutscher Expertise. Es sind neben den politische­n Stiftungen auch humanitäre, wissenscha­ftliche und kulturelle Organisati­onen, die sich in Nordkorea engagieren. So ist die Welthunger­hilfe schon seit mehr als 20 Jahren in Nordkorea aktiv.

Deutschlan­d ist eines der wenigen westlichen Länder, die einen Botschafte­r in Nordkorea haben. In den vergangene­n Jahren waren immer wieder Delegation­en des Bundestags dort. Auch US-Außenminis­ter Mike Pompeo war schon in der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang. Für Maas kommt das nicht infrage – jedenfalls noch nicht. „Zu einem jetzigen Zeitpunkt solche Signale auszusende­n, hielte ich für falsch“, sagt er. „Denn es ist noch nichts geliefert worden, es ist nur angekündig­t worden.“

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Foto: Britta Pedersen, dpa Mit zackigen Gesten erklärt ein südkoreani­scher Soldat dem deutschen Außenminis­ter Heiko Maas den innerkorea­nischen Grenz verlauf. Der SPD Politiker besucht derzeit die koreanisch­e Halbinsel.

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