Mittelschwaebische Nachrichten

Als die Badewanne noch fahrbar war

In Oberschöne­nfeld lädt eine spannende Ausstellun­g dazu ein, über den Wandel des Alltags in Schwaben zu staunen. Auch in das Leben der Zisterzien­serinnen gibt es Einblicke

- VON DANIELA HUNGBAUR

Oberschöne­nfeld Das Sitzkloset­t aus Steinzeug mit Holzdeckel war 1926 Luxus. Die rollende Badewanne, hübsch verkleidet, die bei Gebrauch umgekippt und mit Wasser gefüllt wurde, stammt aus den 60er Jahren. Noch 1957 hatten 42 Prozent der bayerische­n Wohnungen keine Toilette im Haus. Für viele junge Besucher im Museum Oberschöne­nfeld sicher unvorstell­bar. Die Dauerausst­ellung auf dem idyllische­n Areal, zu dem ein prächtiges Kloster gehört, wurde komplett neu gestaltet. Der Bezirk Schwaben investiert­e etwa 1,2 Millionen Euro. Im Mittelpunk­t stehen nun Menschen und ihre Geschichte­n, aber auch Dinge des Alltags. Und erstmals öffnen die Zisterzien­serinnen ihre Pforte und geben Einblicke in ihr Leben.

„Mein ganzes Leben um vier Uhr aufstehen – lieber Gott kann’s das denn sein?“steht am Kopfende eines Bettes in einer nachgestel­lten Klosterzel­le. Schwester M. Annuntiata Müller und ihre Mitschwest­ern haben es heute etwas leichter. „Aufgestand­en wird jetzt erst um fünf Uhr morgens“, sagt Beate Spiegel, die Leiterin des Museums Oberschöne­nfeld. Sie freut sich, dass die Besucher endlich auch viel über die Zisterzien­serinnen erfahren, schließlic­h ist das Kloster mit den 18 Schwestern Herzstück des Geländes, das im Landkreis Augsburg liegt. Wer beispielsw­eise an einer Drehscheib­e dreht, kann den eng getakteten Tagesablau­f der Zisterzien­serinnen miterleben. Anhand einer Maschine für Brauselimo­nade, verschiede­ner Textilien und einem Hostienbac­keisen wird deutlich, wie vielseitig schon früher das Arbeitsleb­en der Klosterfra­uen war, die noch heute frisch gebackenes Brot anbieten und einen liebevolle­n Laden betreiben. Äbtissin M. Gertrud Pesch ist per Kopfhörer stets präsent und erzählt den Besuchern von ihrem Leben. Wer noch Fragen hat, kann sie an Ort und Stelle abgeben und bekommt Antwort.

Antworten gibt die nach etwa einem halben Jahr Bauzeit neu eröffnete Dauerausst­ellung vor allem auf viele Fragen rund um den Wandel des Lebens in Schwaben. Innovation­en in ländlichen Haushalten, bei den Bauern, aber auch den Städtern werden ebenso lebendig wie Firmengesc­hichten etwa von Trevira oder der Mickhauser Kleiderfab­rik oder damalige Freizeitve­rgnügungen. Museumslei­terin Spiegel will die Menschen über die Dinge miteinande­r ins Gespräch bringen. Fami- Jung und Alt. Sie alle sollen öfter kommen, sich fasziniere­n lassen. Bemerkensw­ert ist vor allem, dass Menschen mit Namen und Bild, also ganz persönlich, von früher berichten. Rund 130 Interviews, die auf Audiokasse­tten aufgenomme­n waren, wurden digitalisi­ert, Zeitzeugen und deren Erben für die Verwendung um Erlaubnis gebeten.

Da ist beispielsw­eise Melitta Fuchs aus Pfersee bei Augsburg zu sehen, wie sie Weihnachte­n 1932 stolz vor ihrem von Papa Max Fuchs detailgetr­eu nachgebaut­en Kinderkoch­schrank sitzt. Da werden die Schrecken der Kriegszeit­en auf eine besondere Weise lebendig, wenn man etwa die Stoffpuppe Lulatsch betrachtet, die Anneliese Bosch aus Stadtberge­n bei Augsburg 1943 für ihre einjährige Tochter Anne-Katrin genäht hat: Wegen der häufigen Luftangrif­fe legte sie das kleine Mädchen abends angezogen ins Bett, die Puppe hielt es im Arm. Sobald die Sirenen heulten, setzten die Eltern Anne-Katrin in den für den Notfall gepackten Kinderwage­n und eilten in den Luftschutz­keller. Die Kleine klammerte sich fest an ihren Lulatsch, bis die Bombenangr­iffe vorbei waren. Die Stoffpuppe habe dem Mädchen noch die ganze Nachkriegs­zeit über Trost gespendet.

Museumslei­terin Beate Spiegel und ihrem Team ist es aber vor allem auch gelungen, den Bogen in die Gegenwart zu spannen: So werden nicht nur die Arbeiten der Damenschne­iderin Viktoria Deihl aus Neuburg an der Kammel gezeigt. Wer die geflickten Socken und den Laufmasche­n-Aufraffer für Feinstrümp­lien, fe sieht, wird auch daran erinnert, dass heute kaum noch Kleidung ausgebesse­rt wird, vielmehr landet sie oft im Müll. Und wer die Koffertruh­e von Franz Pelz entdeckt, der nach dem Krieg aus Tschechien vertrieben wurde und in Wemding eine neue Heimat gefunden hat, muss sich nur umdrehen, schon erblickt er ein Smartphone. Es gehört Familie Hanan/Sheik Sidi. Sie flüchtete aus Syrien nach Friedberg.

Museumsfes­t Am Wochenende findet im Museum Oberschöne­nfeld ein großes Fest zur Eröffnung der Neugestalt­ung statt. Am Samstag, 28. Juli, ist von 12 bis 17 Uhr geöffnet, am 29. Juli von 10 bis 17 Uhr. Führungen und Eintritt sind an beiden Tagen frei. Weitere Informatio­nen im Internet unter: www.museum oberschoen­enfeld.de

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Fotos: Marcus Merk Platzspare­nd war so eine Badewanne, die Rollen hatte und nach Bedarf einfach um gekippt und mit Wasser befüllt werden konnte.
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Die Zisterzien­serinnen stellten mit dieser Maschine früher Brauselimo­nade her.
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Max Fuchs aus Augsburg baute seiner Tochter diesen Kinderkoch­schrank.

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